Roman
Knaller. Ich amüsierte mich köstlich.
Die Rock Lounge hatte ungefähr ein halbes Jahr zuvor aufgemacht, und wir waren zum ersten Mal da. Wie sich die Zeiten geändert hatten! Es hatte mal eine Phase gegeben, als es innerhalb von dreißig Meilen keinen Club gegeben hatte, den wir nicht unsicher gemacht hatten. Lizzy und ich schoben uns zur Bar. Ich bestellte eine Bloody Mary und eine Virgin Mary und fragte mich, wie lange ich wohl ausharren musste, ehe Lizzy fand, dass ich genug unter die Leute gekommen sei und nicht mehr befürchten müsse, als alte Jungfer zu enden, deren einziger Freund der Typ hinter der Theke des nächsten Blockbuster-Videoladens war.
Ich stürzte einen ordentlichen Schluck meines tiefroten Cocktails runter und spürte, wie mein Gehirn plötzlich anfing zu britzeln. Vielleicht brauchte ich das ja. Vielleicht würde der Abend gar nicht so schlecht. Genau in diesem Augenblick wechselte der DJ von Firestarter von Prodigy zu Gina Gs Ooh Aah, Just a Little Bit . In mir erlosch etwas.
»Oh, ich liebe diesen Song!«, kreischte Lizzy. »Komm, lass uns tanzen!«
Sie zerrte mich auf die Tanzfläche, wo ich mich sofort in die dunkelste Ecke drängte. Es gibt ein paar Dinge, die niemand sehen sollte. Eine weibliche Türsteherin und eine im sechsten Monat Schwangere in grasgrünen Jeans, die zu dem bescheuertsten Song von 1996 tanzten, gehörten definitiv dazu.
Als wir endlich wieder zurück zur Bar schleichen konnten, wo unsere Drinks standen, war ich heilfroh. Und dankbar, dass Lizzy nicht wie sonst das Bedürfnis verspürt hatte, auf einem Podest zu tanzen. Die vernünftige, gereifte Lizzy mochte zwar weniger aufregend sein als die junge, ausgeflippte, unfallanfällige Lizzy, aber wenigstens musste ich nicht befürchten, den Abend in der Notaufnahme einer Klinik zu verbringen.
Ich stürzte den Rest meiner Bloody Mary hinunter und bestellte noch eine, als Lizzy auf einmal vom Geist einer demenzkranken Kupplerin besessen zu sein schien.
»Was ist denn mit dem da?« Sie zeigte auf einen großen grauhaarigen Typen am anderen Ende der Bar.
»Zu alt. Außerdem glaube ich, dass er der Klomann ist. Also arbeitet er jede Nacht, sodass wir uns kaum sähen. Hör endlich auf, mich zu verkuppeln.«
Ich meinte es ernst. Ich verspürte nicht die geringste Lust zu einer Beziehung. Null. Ich sah keinen Sinn darin. Ich hatte meine Lektion gelernt. Als Teenager hatte ich kapiert, dass ich der unbeweglichste Mensch aller Zeiten war, also hatte ich den Sport aufgegeben. Ein paar Jahre später war mir klar geworden, dass meine Bilder aussahen, als hätte sich eine Katze auf einer Leinwand erbrochen, also gab ich auch die Kunst auf. Und einige katastrophal endende Beziehungen und rekordverdächtige Schiffbrüche im Bereich Romanzen hatten mir auf diesem Gebiet ebenfalls eine Lehre erteilt, die ich nicht einfach ignorieren konnte.
Leider hatte Lizzy das nicht mitgekriegt.
Wie ein U-Boot-Periskop in Erkundungsstellung drehte sie den Kopf hin und her.
»Ich finde ihn süß. Was ist denn mit dem im schwarzen Hemd?«
»Lizzy, hörst du jetzt bitte auf! Ich hab dir schon tausendmal erklärt, dass ich im Moment keinen Freund brauchen kann. Und selbst wenn, wären die Chancen, dass ich im Salon jemand Anständiges kennen lerne, wesentlich höher als hier in diesem Club. Ich habe kein Interesse an einem One-Night-Stand. Niemals. Also hör endlich auf … Aber du hast recht, er ist wirklich ganz süß.«
Mein Körper löste sich von meinem Verstand, ich richtete mich unwillkürlich auf, warf meine Haare nach hinten, und – tja, ich muss es zu meiner Schande gestehen – meine Brüste reckten sich in seine Richtung. Verräter!
So viel zum Thema Lektionen.
»Gehst du zu ihm, oder wartest du, bis er uns sieht?«, fragte Lizzy mit der Stimme eines Geheimagenten.
»Ich warte.«
Ich war zwar aus der Übung, kannte die Regeln aber noch ganz genau. Auf keinen Fall würde ich das Risiko einer Seriendemütigung eingehen, indem ich zu ihm ging und ihm ein Gespräch aufdrängte, ehe ich ihn nicht wenigstens eine Zeitlang genau studiert hatte. Denn die ersten Eindrücke waren ja bekanntlich die wichtigsten.
Stylisches schwarzes Hemd. Dunkle Jeans. Braune Haare, hinten kurz, oben länger. Kein Ehering. Breite Schultern. Vielleicht ein bisschen klein, so um die eins fünfundsiebzig, aber zur Not konnte ich auch ohne hohe Absätze leben. Das schafften Nicole Kidman und Tom Cruise schließlich auch.
Durchaus ein potenzieller
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