Roman
sein, dass ihre letzte offizielle Amtshandlung als Rockstar darin bestanden hatte, bei den im Fernsehen ausgestrahlten BRIT Awards auf Gary Collins zuzugehen, und zwar genau in dem Augenblick, als in der Kategorie »Band des Jahres« sein Name aufgerufen worden war, um ihm einen Jack Daniel’s mit Cola über den Kopf zu schütten. Meines Erachtens war das ein derart heldenhafter Akt gewesen, dass die Regierung einen nationalen Ginger-Feiertag ausrufen sollte.
Während ich weiter die endlosen Stufen hinauftrottete, reduzierten sich meine Gedanken auf einen betörenden Dreiklang: Bad. Bruce. Bett. Bad. Bruce. Bett. Bad. Bruce …
So leise wie möglich steckte ich den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn und öffnete die Tür. Fast geschafft. Fast. Aber nicht ganz.
Die Tür zur Nachbarwohnung flog auf. In der nächsten Sekunde stand Lizzy vor mir, eine schlafende Zweijährige auf dem riesigen Bauch jonglierend, der aus ihrem schmerzhaft pinkfarbenen Pulli und den grasgrünen Jeans ragte. Schon wieder. Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich sie bei zwei Gelegenheiten zwingen, besser aufzupassen: im Biologieunterricht, als der Lehrer die Geheimnisse der Verhütung erklärt hatte, und in Kunst, als es um Farbenlehre ging.
»Wann hattest du zum letzten Mal Sex?«, trompetete sie quer über den Hausflur.
Aus dem Universum der Sätze, die sie in diesem Augenblick hätte sagen können, war das derjenige, den ich am wenigsten erwartet hätte.
»Gibst du mir drei Antworten zur Auswahl?«, fragte ich hoffnungsvoll.
»Im Ernst, Lou. Wann hattest du zum letzten Mal ein erdbebengleiches Erlebnis mit einem Mann?«
Ich wusste die Antwort. Wirklich. »Eh … also …«
»Ich meine, außer Bruce Willis.«
Ich sackte zusammen, als mir der Wind aus den Segeln genommen wurde. »Eh … Keine Ahnung.«
»Dann gehen wir heute Abend aus. Du und ich. Ben wird babysitten, und wir zwei machen die Stadt unsicher!«
Ich war doppelt entsetzt. Über die Aussicht, dass mein gemütlicher Kuschelabend dahin war, und die Tatsache, dass eine Schwangere im sechsten Monat mit einem Kleinkind mehr Energie hatte als ich.
»Lizzy, ich bin völlig geschafft und würde am liebsten einfach nur …«
»Ist mir egal. Es ist nur zu deinem Besten. Du bist Monate nicht unter Menschen gewesen. Die Vorstellung, dass du für den Rest deines Lebens Single bleibst, reich stirbst und dein komplettes Vermögen deinem Patenkind vermachst« – sie zeigte auf das schlafende Bündel in ihren Armen – »hat zwar durchaus einen gewissen Reiz, aber ich verbiete dir trotzdem, deine sozialen Bedürfnisse weiter so zu vernachlässigen. Wir gehen jetzt aus, jeder Widerstand ist zwecklos. In einer halben Stunde bist du fertig. Notfalls breche ich deine Tür auf.«
»Aber du hast doch einen Schlüssel«, antwortete ich ein bisschen erstaunt.
Sie grinste. »Es sollte ein bisschen dramatischer klingen. Schlimm?«
Ich nickte. Einer überdrehten Lizzy, die mich an einem Samstagabend gegen meinen Willen aus dem Haus zerrte, war ich einfach nicht gewachsen. Aber es musste doch einen Ausweg geben! Ich brauchte eine gute Ausrede. Eine Entschuldigung. Oder jemanden, der mich rettete.
Wo war dieser verdammte Bruce, wenn man ihn mal brauchte?
Lektion 58
Ab und zu wissen andere viel besser, was gut für einen ist
»Siehst du hier irgendjemanden über einundzwanzig?«, brüllte ich Lizzy ins Ohr, während wir uns durch das Gewühl der Rock Lounge schoben. Ich begriff, wo der Name herkam. Die dunklen Wände waren vollgeritzt und bemalt und sahen aus wie gemeißelter Granit, auf den die Lichtorgeln bunte Farbeffekte zauberten. Der relativ neue Club im Nachbarort Paisley schien ausschließlich von Jungs bevölkert zu sein, die so aussahen wie der australische Sänger Peter André, und von Mädels, die aussahen wie Avril. Ich kam mir in meinen schwarzen Jeans jedenfalls völlig underdressed und overaged vor.
»Sssuldigung, bist du hier der Türsteher?«, nuschelte eine offenbar angetrunkene junge Dame in breitestem Glasgower Dialekt und versuchte mich zu fixieren. »Der Typ da hinten ist nämlich ein Arsch. Ich will, dass du ihn rausschmeißt.«
Okay. Das Motto des Abend schien »Schlimm, schlimmer, am schlimmsten« zu lauten.
»Ich kümmere mich sofort um ihn«, versprach ich ihr. »Ich muss nur erst ein ernstes Wörtchen mit zwei anderen Ärschen da drüben reden.«
»Sssupi.« Sie wankte auf ihren weißen High Heels in Richtung Toilette davon.
Prima. Ein
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