Roman
mit einem Drei-Dates-in-der-Woche-Limit für alle Beziehungen. Jetzt war ich mit dem tollsten Mann der Welt verheiratet (das mochte eine leichte Übertreibung sein, und ich nahm mir das Recht, aufgrund schwangerschaftsbedingter Hormonschwankungen diese Meinung stündlich zu ändern), würde bald Mum sein und hatte zum ersten Mal im Leben das Gefühl, eine richtige Familie zu haben. Red. Ich. Kugel. Unsere kleine Einheit. Außerdem hatte ich ein eigenes Geschäft, das ich mir mühsam aufgebaut hatte und das ich liebte. Ich schaffte es, meine Kreditkartenrechnungen zu bezahlen. Wir waren in ein altes viktorianisches Doppelhaus in einer hübschen baumbestandenen Straße gezogen, das wir zwar mindestens zehn Jahre lang renovieren würden, das aber so fantastisch war, dass es mich nicht kümmerte. Es kam mir so vor, als würden sämtliche Sterne im Kosmos perfekt stehen, und zum ersten Mal verstand ich, was es hieß, alles zu haben. Mann, Baby, Karriere, Zuhause, Freunde und so viel Liebe, dass … dass …
»Josie, es ist wieder so weit«, schniefte ich.
So viel Liebe, dass ich mich jedes Mal, wenn ich nur daran dachte, in ein armseliges Häufchen aus Emotionen auflöste. Zum Glück erschien sofort eine Box mit Kleenex vor meiner Nase.
Ich legte Natalia einen Umhang um und machte mich an die Arbeit. »Habe ich jetzt jeden Fortpflanzungswunsch bei Ihnen zerstört?«, fragte ich lächelnd.
»Allerdings«, antwortete sie. Und meinte es ernst.
Auf dem Stuhl nebenan kämmte gerade eins der Lehrmädchen Mrs. Marshall die Haare nach der Wäsche und bereitete alles vor, damit ich weitermachen konnte. Es war wie ein Fließband, das nie zu enden schien.
»Hey Lou, mein Mann hat mir heute Morgen erzählt, dass Sie ein Mädchen bekommen.«
Ich verkniff mir ein Grinsen. »Welcher? Der erste oder der zweite?«
»Der erste. Der zweite hat seit dem Tag unserer Hochzeit noch keinen vernünftigen Satz von sich gegeben.«
Ihrem verächtlichen Gesichtsausdruck sah man an, dass es ihr schwerfiel, sich mit der Tatsache abzufinden, dass der pensionierte Matrose, den sie nach dem dreitägigen Miniurlaub in den USA geheiratet hatte, in Wahrheit doch nicht der Stoff war, aus dem ihre Träume waren. Seit er in diesem Land angekommen war, hatte er jeden Tag im Park verbracht, wo er seine ferngesteuerte Kriegsflotte über den See steuerte und sich in Form hielt, für den Fall, dass man ihn doch noch kurzfristig zu einem Marineeinsatz einberief.
Da traf es sich gut, dass sie noch immer im Dialog mit dem Ehemann stand, der mehr als zwei Jahrzehnte zuvor verstorben war. Es war immer gut, im Alter jemanden zum Reden zu haben.
Ein Mädchen. Ein Mädchen wäre schön. Es würde …
»Josie!«, schrie ich. Die Kleenex-Box tauchte wieder vor mir auf, und diesmal nahm ich mir gleich zwei. Das erschien mir sehr vorausschauend.
»Was soll die ganze Heulerei?«, fragte Natalia stirnrunzelnd.
»Hormone«, antwortete ich schlicht. »Ich bin einfach so … glücklich.«
Darauf folgte der totale Tränenstrom, und ich war überaus erleichtert, als Rosie, eine der beiden verbliebenen Stylistinnen, endlich mit Christians dreißig Zentimeter langem Fundamentalistenbart fertig war und an meiner Seite erschien.
»Mach doch mal fünf Minuten Pause, ich übernehme solange.«
Natalia sah aus, als würde sie ihr vor lauter Dankbarkeit am liebsten um den Hals fallen.
»Mrs. Marshall, ich bin gleich wieder da, okay? Die Mädchen versorgen Sie in der Zwischenzeit mit einer Tasse Tee und Keksen.«
»Kein Problem, Schätzchen, gehen Sie nur.«
Nachdem ich mir einen Weg in den Personalraum gebahnt hatte, ließ ich mich dort aufs Sofa plumpsen und schloss die Augen. Nur ein paar Sekunden Ruhe und Entspannung, dann würde es schon wieder gehen. Ein Klopfen an der Tür riss mich im gleichen Moment aus meiner Express-Zen-Meditation.
»Hallo Lou oh Gott Sie sehen wunderbar aus einfach das pralle blühende Leben so wie eine Mamma aussehen sollte müsste das Baby nicht schon lange da sein?«
Donna Marie, meine wunderbare Vermieterin, redete ohne Punkt und Komma.
»Ich bin zwei Wochen über die Zeit«, sagte ich zum gefühlt tausendzweihundertsten Mal an diesem Tag. »Wie geht’s Ihnen? Ist mal wieder Zeit für neue Farbe?«
Bildete ich mir das nur ein, oder zuckten ihre Augen einen ganz kurzen Moment. Eine Pause entstand, die bedeutungsschwangerer war als meine Gebärmutter.
»Lou es tut mir echt leid dass ich Ihnen das antun muss und dann auch noch ausgerechnet
Weitere Kostenlose Bücher