Roman
hättest du dir deine Brüste in einer Aufzugtür eingeklemmt. Und ja, entzündete Brustwarzen sind genauso fürchterlich, wie sie klingen.
113. Sonnenbänke sind während der Stillzeit verboten.
114. Der schönste Moment in meinem Leben war der, als ich dich zum ersten Mal in meinen Armen gehalten habe. Mein wunderhübsches kleines Mädchen. Ich liebe dich … unendlich.
Ach, und noch etwas …
Lektion 115
Freu dich über deinen Bauch – er ist ein echtes Wunder … und eine äußerst bequeme Abstellfläche für Getränke 2002. Lou, zweiunddreißig Jahre alt
»Wann soll das Baby denn kommen?«
Natalia, eine der Stewardessen, die zu unseren Stammkundinnen gehörten, warf einen misstrauischen Blick auf meinen Bauch. Offenbar sorgte sie sich, dass die drohende Geburt meines Kindes ihr Körperpflegeprogramm beeinträchtigen und ihre Jimmy-Choo-Schuhe beschmutzen könnte. Okay, ein bisschen konnte ich ihre Unruhe verstehen. ICH WAR ZWEI WOCHEN ÜBER DIE ZEIT !
»Vor zwei Wochen«, antwortete ich und versuchte keine Regung zu zeigen, als ein scharfer Schmerz von meinem linken Oberschenkel in mein rechtes Schulterblatt schoss.
Ich wollte eigentlich einen Scherz machen – das Baby läge in meinem Bauch gemütlich auf seinem Futon, höre die Greatest Hits von Take That und habe keine Lust, rauszukommen, aber mein Humor wurde von meinen Hormonen jäh in die Schranken gewiesen.
»Alles okay?«
Die Frage kam von Josie, die mit einem Besen um mich herumlief, um den Anschein zu wahren, sie würde sich im Salon nützlich machen. Sie hatte sich extra zwei Wochen Urlaub von ihren sechs Putzjobs und ihrer Nachtschicht beim Buchmacher genommen, um mich rund um die Uhr im Auge behalten zu können. Sogar meine Toilettenbesuche überwachte sie – ich könnte ja eine Sturzgeburt haben und auf den Fliesen gebären. Ihrer Mutter sei das im Krieg passiert, beteuerte sie.
Wieso hielten die Leute eine Schwangerschaft für einen geeigneten Zeitpunkt, um Horrorstorys über Geburten zu erzählen? Bisher kannte ich den Fall einer Frau, die vierzehn Tage lang in den Wehen gelegen hatte, einer anderen, die vor zweihundert Teenies während der Aufführung von Hellboy in einem Kino entbunden hatte, und ich wusste, dass Babys in einem Taxi zur Welt gekommen waren, in einem Bus und in einem großen Supermarkt im Gang mit den Tiefkühlgerichten, mit freundlicher Unterstützung eines älteren Herrn, der mit der einen Hand einen Rollator und der anderen eine Peperonipizza umklammert hatte.
Ich verstand ganz und gar nicht, wieso das Gesundheitssystem in einer Krise steckte, denn nach allem, was ich so mitbekam, hatte seit Beginn der Zeitrechnung keine Geburt mehr in einem Krankenhaus stattgefunden.
Die Türglocke ging, und Mrs. Marshall kam mit Jennifer Aniston in den Salon gestürmt. »Lou, Schätzchen, haben Sie Ihr Baby immer noch nicht?«
Doch. Aber ich habe mich entschlossen, einen Ball unter dem Pulli zu tragen, um euch alle zu ärgern.
»Zwei Wochen über die Zeit«, antwortete ich und bemühte mich um einen möglichst sachlichen Ton. Aber ich glaube, es klang mehr nach einem Psychoserienkiller kurz vor dem Nervenzusammenbruch.
Ich hätte schon vor Wochen aufhören müssen zu arbeiten, aber in einer Verkettung unglücklicher Umstände hatten sich meine Topstylistinnen plötzlich beide gleichzeitig die Sinnfrage gestellt und beschlossen, ein bisschen durch die Welt zu tingeln. Die letzte Karte, die wir bekommen hatten, stammte von einer sonnigen Insel vor der thailändischen Küste, wo sie sich einem australischen Rugby-Team mit lauter muskelbepackten Adonissen angeschlossen hatten, die angeblich superwitzig waren und nächtelang Partys mit ihnen feierten. Ich versuchte mir einzureden, dass sie eine Scheißzeit hätten und hier mit meinem täglichen Einerlei aus Kunden, Schmerzen und Hämorrhoiden viel glücklicher wären.
Natürlich traf mein Angestelltenschwund mit einem gleichzeitigen Kundenansturm zusammen, der durch die bevorstehenden Feiertage begründet war. Also musste ich weiter sechs Tage in der Woche arbeiten, während ich das Gewicht eines kleinen Nilpferds im Bauch herumschleppte. Hatte ich schon erwähnt, dass ich zwei Wochen über die Zeit war?
Doch abgesehen von den Schmerzen und den unmenschlichen Arbeitsbedingungen war ich unglaublich aufgeregt. Mir war schwindlig vor Freude. Ich konnte noch immer nicht glauben, dass mir das alles passierte. Noch vor etwas mehr als einem Jahr war ich überzeugter Single gewesen
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