Roman
Stunden Wehen lagen hinter mir, und mindestens tausend Leute hatten mir versichert, dass ich alles »gaaaaanz prima« machte. Nichts war prima. Die Narkose wirkte nicht mehr, und sie konnten mir kein neue geben. Aber, hey, Red fand das alles ganz prima. Es gibt einen Grund, weshalb Waffen in Krankenhäusern verboten sind.
Und jetzt sagte mir ein beängstigend großer asiatischer Arzt, der – wie mir die Hebamme zugeflüstert hatte – bei einer Olympiade mal für Malaysia im Volleyballteam gestanden hatte, ich solle pressen. Und pressen. Und pressen. Und …
»Waaaaaaaaaaaaaaaaaaah!«
Das war das Baby, aber Red hatte im selben Augenblick seinen westschottischen Machostatus aufgegeben und war ebenfalls in Tränen ausgebrochen.
»Es ist ein Mädchen«, verkündete Dolly, die Hebamme, glucksend.
Sie hielt etwas in der Hand, das aussah wie eine Gartenschere, und fragte Red, ob er die Nabelschnur durchtrennen wolle. Er nickte. Wenn dies nicht so ein bedeutsamer Augenblick gewesen wäre, hätte ich sie spätestens jetzt gewarnt, dass er dieses Jahr schon viermal das Rasenmäherkabel durchtrennt hatte und man ihm tunlichst keine scharfen Werkzeuge in die Hand geben sollte.
»Ist alles okay? Bitte, sagt mir, ob alles okay ist«, keuchte ich und reckte den Hals, um zu sehen, was an meinem unteren Ende vor sich ging.
Der Kopf des malaysischen Arztes tauchte als Erstes auf, dann folgten seine grotesk langen Arme, und darin lag das schönste und atemberaubendste Häufchen klebrigen Schleims, das ich je gesehen hatte.
»Sie ist kerngesund. Und laut. Sehr laut«, ergänzte er.
»Oh mein Gott – ein Mädchen. Mrs. Marshalls verstorbener Ehemann hat also recht gehabt.«
Der Arzt versuchte sich seine Besorgnis über meinen Geisteszustand nicht anmerken zu lassen und legte mir das Baby vorsichtig auf die Brust. Passend zum allgemeinen Verhalten um mich herum fing ich an zu heulen.
Sie war in jeder Hinsicht perfekt. Sie hatte Reds Nase, Gingers Haare und …
»Waaaaaaaaaaahhhhhhhhhhhhhhh!«
… Josies Lungen. Und meine Falten, aber die würden ja hoffentlich noch verschwinden.
Plötzlich hörte sie auf zu weinen, nuckelte ein bisschen und schlief ein. War das normal? Machten sie das immer so? War alles in Ordnung?
Ängstlich schaute ich in das Gesicht des Arztes, aber er wirkte so entspannt, dass ich wieder mein perfektes kleines Mädchen ansah.
Ich war eine Mum.
Eine Mum.
Nach neun Monaten, achtzehn Stunden, einer Million Tränen und mehreren Wiederholungen von Stevie Wonders Greatest Hits war meine kleine Tochter mitten während Superstition , meinem absoluten Lieblingssong, auf die Welt gekommen. Sie war schon jetzt eine Sensation.
»Ich komme in fünf Minuten wieder, um sie zu wiegen«, erklärte der Arzt und bückte sich, ehe er durch die Tür ging, um eine Gehirnerschütterung zu vermeiden. Mir fiel auf, dass auch Dolly den Raum verlassen hatte, sodass nur wir übrig waren. Meine Familie.
Ich hielt Red das Baby hin, und er schaute es einige Sekunden an, eher er mich wieder ansah. Sein Gesicht hatte einen feierlichen Ausdruck angenommen.
»Ich liebe dich so sehr, Lou«, sagte er zärtlich. »Aber ich hoffe, dir ist klar, dass du jetzt an die zweite Stelle rückst. Sie ist soeben der wichtigste Mensch in meinem Leben geworden.«
Ich nickte, und meine Kehle war so zugeschnürt, dass ich kaum reden konnte. Für andere hätte sich das vielleicht seltsam angehört, aber Red wusste, dass mir seine Worte unglaublich viel bedeuteten. Als Tochter von Eltern, die immer nur mit sich selbst beschäftigt waren und für die ihr Kind immer erst an zweiter Stelle kam, wollte ich nichts lieber hören als die Bestätigung, dass er sein Kind mehr liebte als alles andere auf der Welt, mich eingeschlossen. Er würde für sie sorgen, sie lieben und sie niemals im Stich lassen. Dies hier war sein Mädchen, und er würde ein sensationeller Vater sein. Oje, schon wieder Tränen!
»Und du stehst jetzt auch an zweiter Stelle«, flüsterte ich.
Red strahlte mich an, und jede Faser meines Körpers prickelte vor Glück.
Dolly kam in den Raum zurückgerauscht, der unsägliche große Arzt war ihr dicht auf den Fersen. »So, meine Liebe«, verkündete sie. »Jetzt gibt’s erst mal ein Päuschen für Sie. Geben Sie mir die Kleine, wir machen kurz alle nötigen Untersuchungen, während Sie in Ruhe eine Tasse Tee trinken und einen Toast essen können.«
Unwillig gab Red das Baby ab. Dann nahm er meine Hand und drückte sie. »Danke,
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