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Roman

Roman

Titel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shari Low
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sie vor mir in ihrem hübschen dunkelblauen Faltenrock, einem grauen Blazer und sehr glänzenden Schuhen, die unkontrollierbare rote Mähne mit einer hellblauen Schleife gebändigt. Ja, sie imitierte auch weiterhin in Aussehen und Charakter Tante Ginger. Das zwang mich zu ungewöhnlichen Maßnahmen, die sicherstellen sollten, dass diese beängstigende genetische Veranlagung keine unglückseligen Folgen hatte.
    »Weißt du noch, woran du denken musst?«, fragte ich leise und kniete mich, um Cassie beim Mantelaufhängen behilflich zu sein.
    »Dass es auf dem Schulhof Kameras gibt und du immer alles sehen kannst.«
    »Braves Mädchen.«
    Ich weiß, ich weiß, das war pädagogisch fragwürdig, aber die einzige Möglichkeit, Cassie unter Kontrolle zu halten. Ich hatte ihr erzählt, dass in den Lampenmästen und dem Zaun um die Schule herum unsichtbare Kameras steckten, die mit meinem Computer verbunden waren, und ich sie daher jederzeit genau beobachten konnte.
    Irgendwann würde ich ihr die Wahrheit sagen, aber im Moment brauchte ich solche Hilfsmittel, um ihre furchtlose Art und ihren absoluten Sinn für Gerechtigkeit in Schach zu halten. Erst in der Woche zuvor hatte ein Neunjähriger, der mindestens einen Kopf größer war als sie, das Skateboard ihrer besten Freundin gestohlen, und Cassie hatte besonnen und intelligent reagiert … bis zu dem Punkt, als sie ihn verprügelt hatte.
    Von diesen Ausbrüchen einmal abgesehen, war sie ein braves Mädchen. Wirklich. Sie war sehr sozial und extrovertiert, fand innerhalb von Sekunden Freunde und freute sich jetzt schon unbändig darauf, mit ihren Freundinnen vom Kindergarten den ganzen Tag verbringen zu können.
    Natürlich hatte es auch Tränen, Ängste und kleinere Panikattacken gegeben – aber eigentlich nur auf meiner Seite. In dem unwahrscheinlichen Fall, dass ich mal Premierministerin würde, würde ich dafür sorgen, dass allen Eltern von Schulanfängern geschulte Therapeuten zur Seite gestellt wurden, die sich mit dem Thema Trennungsängste auskannten.
    Noch ein Kuss und eine Umarmung, noch ein ungeduldiges »Muuuuuuuuuuuuum, bitte!«, dann wurde es Zeit, sie gehen zu lassen. Als sie in ihre Klasse hüpfte – hüpfte! –, entfernte ich mich mühsam vom Schulhof, wenn auch mit dem tröstlichen Gedanken, dass sie sich jederzeit mit dem Lampenmast unterhalten konnte, wenn sie unerträgliche Traurigkeitsanfälle überkamen.
    »Alles klar?«, fragte Lizzy.
    »Ehrlich gesagt, nicht«, antwortete ich. »Ich weiß, ich bin schrecklich. Sag ja Ginger nichts!«
    Lizzy lächelte und schob eine lärmende Gruppe älterer Schüler vor sich her durch die Tür. Seit ihre Älteste, die inzwischen im Teenageralter war, auf die Highschool gewechselt hatte, arbeitete sie als Schulassistentin, und sie liebte das. Sie war wie geschaffen für diese Aufgabe. Lustig, klug, energiegeladen, mit einer Stimme, die jede Klasse sofort in ihren Bann zog. Und die Tatsache, dass sie in ihrem ersten Monat mit einem Fußball ein Fenster zertrümmert hatte, hatte sie bereits zur Schullegende werden lassen – als coolste Erwachsene überhaupt.
    Was die Beziehungsfront anging, war Lizzy trotz all meiner Kupplungsbemühungen immer noch Single. Ich konnte sie verstehen. Sie hatte so früh geheiratet und Kinder bekommen, dass sie es nun genoss, all das wieder tun zu können, was wir früher gemacht hatten – plus die eine oder andere Nacht mit Ben und Alex in einem der schrillen neuen Homosexuellenclubs. Sie waren zu einer einzigen, großen, unkonventionellen Familie zusammengewachsen. Ich war zwar sicher, dass sie eine Glücklich-mit-einem-Mann-Konstellation bevorzugen würde, aber sie hatte die Situation akzeptiert und kam gut damit klar. Auch wenn sie heute ein bisschen geschafft aussah.
    »Alles okay mit dir?«, fragte ich sie. »Du bist so blass.«
    Wie um meine Vermutung zu widerlegen, wurde sie über und über rot. »Mir geht’s bestens, danke! Und du? Alles vorbereitet für heute Abend?«
    Ich nickte. Aus mehreren Gründen war dieser Tag ein ganz besonderer. Es war der erste Schultag meiner Tochter … und zugleich der erste Tag eines völlig neuen Beginns für mich.

Lektion 138
    Manchmal wiederholt sich Geschichte doch
    »Bist du sicher, dass alles okay ist? Irgendwie siehst du aus, als würdest du krank«, sagte ich am Abend noch einmal zu Lizzy.
    »Alles ist bestens!«, schnappte sie, ehe sie ihre normale fröhliche Laune wiederfand und meinte: »Okay. Vögeln, heiraten, von der Klippe

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