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Roman

Roman

Titel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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an die weiße Bibel mit deinem Namen in Goldbuchstaben, die mit all den altertümlichen Schreibweisen? Damals haben ordentliche Christen noch die alte King-James-Bibel gehabt.
    Mein Körper wird mit einem Mal ganz schwer. Aber ich setze mich nicht hin.
    Das Foto ist kein richtiges Viereck, weil ich die Beine der Leute abgeschnitten habe, die im Hintergrund vorbeigehen. Leute, die bereit waren für Wunder.
    Ich vermisse die Wunder, Ciara. Hier drin gibt’s nicht viele davon.
    Lass mich bitte wissen, ob dein Vater Kontakt zu dir hat. Lass mich auch wissen, wenn er sich nicht meldet. Lass einfach was von dir hören, bitte! Ob es dir gut geht … auch wenn ich weiß, dass es ziemlich dumm ist, sich Sorgen zu machen. Du hast immer gut auf dich aufgepasst, nicht wahr, meine Kleine?
    Ich hoffe, du hast diesen Sommer viel Spaß an der frischen Luft.
    Umarmungen und Küsse und noch mehr Umarmungen
    Mama
    Ich sinke auf den Stuhl und schließe die Augen. Der Instinkt, der jedem Betrüger und Hochstapler zur Vorsicht rät, drängt mich zur Flucht, dazu, mich in Sicherheit zu bringen, meinen Arsch schleunigst in die Gefahrlosigkeit der Anonymität zu verfrachten. Aber das ist der Weg der Betrüger, Schlepper und Bauernfänger, nicht meiner. Jedenfalls nicht mehr.
    Die letzten zehn Minuten mache ich ungeschehen, sodass mein Koffer wieder leer im Schrank verschwunden ist, als David zurückkommt. Ich sitze auf der Couch, genau auf derselben Stelle, auf der ich vorhin saß. Dennoch scheint er augenblicklich zu begreifen, dass sich etwas verändert hat – abgesehen davon, dass ich jetzt Jeans trage.
    Er legt die Tüte mit den Bagels auf den Couchtisch und stellt einen Becher Kaffee daneben. »Ich muss Sie unbedingt noch eines fragen: Wann hatten Sie Ihre letzte Tetanus-Impfung?«
    »Ich musste mich impfen lassen, als ich aufs College gegangen bin.« Meine Stimme klingt selbst in meinen eigenen Ohren dumpf. »Vor sechs Jahren also.«
    Noch einmal öffnet David die rote Tasche. Der Blick, den er mir zuwirft, ist entschuldigend. »Ich habe schlechte Nachrichten für Sie, was Ihre Nadelphobie angeht.«
    Ich rolle meinen rechten Ärmel bis zur Schulter hoch und schaue in die entgegengesetzte Richtung. Ich frage mich, wie viele Vampiropfer David dieses Jahr wohl schon behandelt hat. Die Nadel schießt flüssiges Feuer in meinen Muskel.
    Gebissen, genäht und gestochen – alles in weniger als zwölf Stunden. Willkommen im ehrlichen Leben.
    David nimmt die Tasche und seinen Becher mit Kaffee. »Sind Sie so weit okay?«
    Seine Worte erinnern mich an die Mail meiner Mutter, weshalb ich die Lippen zu einem bitteren Lächeln verziehe. »Ich bin immer okay.« Endlich schaue ich ihn direkt an. »Wir sehen uns am Montag.«

6
    That’ll Be the Day
    Das Telefon reißt mich aus einem Nickerchen. Es ist später Nachmittag, dem Sonnenlicht nach zu urteilen, das durchs Wohnzimmerfenster fällt.
    Ziemlich erschöpft stemme ich mich von der Couch hoch, hinke zum Telefon und hebe ab.
    »Erzähl mir alles!« Lori legt besonders viel Betonung auf das letzte Wort. »Angefangen bei dem Chocolatini, den du ihr übers Top gegossen hast.«
    Ich zögere. »Und da hört’s eigentlich auch schon auf. Danach gibt’s nichts mehr zu erzählen.«
    »Ich bezahle dir ein Abendessen und ein paar Drinks.«
    »Wir treffen uns in einer Stunde.«
    Es stellt sich heraus, dass das Abendessen und die Drinks nicht nur der Lohn für die pikanten Einzelheiten meiner Geschichte sind. Meine Freundin hat mich ausgetrickst, sodass ich ihr jetzt dabei helfen muss, Kostüme für irgendeine Bürgerkrieg-Neuinszenierung zusammenzusuchen.
    »Und der Kerl, mit dem du weg bist?« Lori drückt mir eine muffig riechende Uniform in die Hand. »Den hab ich noch nie zuvor bei uns gesehen.«
    Ich klopfe den wollenen, blauen Uniformrock aus, und eine Staubwolke steigt auf. Ich benutze den folgenden Hustenanfall als Ausrede, um nicht über Shane reden zu müssen. »Können wir das Fenster aufmachen?«
    Lori stapft über die Holzdielen des Dachbodens, der sich über einem einschlägigen Antiquitätenladen befindet. Sie zieht am Fensterrahmen, aber das Ding klemmt. »Tut mir leid. Aber wir sind eh gleich fertig.«
    Im Licht der nackten Glühbirne betrachte ich den Stapel alter Kleidungsstücke, der beinahe so hoch ist wie Lori und ich groß. Es sieht so aus, als hätten wir gerade erst angefangen.
    Ich wische mir den Schweiß aus dem Nacken und seufze wegen des Staubs, der über und über mein

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