Roman
haben uns ein paar Mal getroffen«, fährt sie fort. Ich spüre, wie mir die Röte in die Wangen schießt. »Das letzte Mal, als du noch mit meiner Schwester verlobt warst.«
Martins Blick sucht meinen. Meiner wandert Richtung Boden.
Warum habe ich ihr bloß nicht erzählt, dass ich es war, die unsere Verlobung gelöst hat?
»Tja, also, was machst du denn so, Caro?«, erkundigt sich Martin nach einer verlegenen Pause. »Geht ihr spazieren?«
»Wir waren in einer Kunstausstellung.« Lexi verschränkt wütend die Arme vor der Brust. »Im Pulp House …«
»Im Pump House, Lexi.«
»Sie war toll, wirklich inspirierend.«
Meine Güte, Lexi, halt einfach die Klappe.
»Du solltest hingehen, wenn du die Gelegenheit dazu hast, obwohl du besser mit jemandem zusammen hingehen solltest, du weißt schon, wenn du kannst.«
»Klar«, sagt Martin und starrt mich mit einer Mischung aus erwischter Junge und Verwirrung an. Es ist schrecklich.
Wir stehen da und schweigen uns unangenehm an, bis ich eine blonde, pummelige Frau in Flipflops und einem Baumwollkleid lächelnd auf uns zukommen sehe.
»Hallo …« Sie legt den Arm um Martins Rücken.
Eine Freundin?! Martin hat eine Freundin?
»Oh, hallo, P.« P? Pee?! Verdammt noch mal, sie geben sich schon Kosenamen, und er hat mir noch nicht mal erzählt, dass er mit jemandem zusammen ist? »Du hast mich erschreckt. Caroline, Lexi, das ist Polly. Polly, das sind Caroline und ihre Schwester Lexi.«
»Hi!« Sie lächelt. Sie hat einen rötlichen Teint, gerade Zähne und ernste, unkomplizierte Augen.
»Hi«, antworte ich. Mein Gesicht ist zu einem Ausdruck erstarrt, von dem ich hoffe, dass er freundlich ist. Ich schaue zu Lexi hinüber und versuche, ihr zu vermitteln, dass sie das Gleiche sagen soll, aber sie kaut auf der Innenseite ihrer Wange herum und mustert Polly von oben bis unten.
»Also dann …«, versuche ich es.
»Also dann«, stimmt Martin mir zu.
»Wir gehen dann mal.«
»Ja, wir haben heute noch so viel vor«, erklärt Lexi. »Einkaufen, essen gehen …«
»War nett, dich kennenzulernen, Polly«, sage ich und drücke fest Lexis Hand. »Viel Spaß beim Grillen.«
»Den werden wir haben«, erwidert Martin ein bisschen zaghaft.
Und dann gehen wir weiter durch den Park, und der Soundtrack des Londoner Sommertags – Flugzeuge, die nach Heathrow fliegen, fröhlich kreischende Inlineskater, das Lachen von Freunden auf den Picknickdecken – wird von den Geräuschen überdeckt, die mein Gehirn macht, während es herauszufinden versucht, wie ich das finde, was gerade passiert ist.
6
Nach einer Busfahrt, auf der Lexi mir die ganze Zeit versichert, dass ich viel hübscher bin als Polly und dass sie in Martins Augen sehen konnte, dass er mich wieder zurückhaben will, sitzen wir schließlich bei einem Mexikaner in der King’s Road.
Lexi sieht mich über den Rand der Karte hinweg an und zwirbelt mit dem Finger ihren Pony.
»Geht es dir gut?«, erkundigt sie sich.
»Mir? Ja.«
»Bist du traurig wegen Polly?«
»Nein. Nein«, erkläre ich überhaupt nicht überzeugend. »Das musste ja früher oder später passieren.« Obwohl ich so früh nicht damit gerechnet hätte. Wir haben uns erst im letzten September getrennt. Das ist gerade mal neun Monate her. Ist man nach neun Monaten schon über eine vierzehnjährige Beziehung hinweg? Ich dachte, ich hätte einen etwas bleibenderen Eindruck hinterlassen.
»Kann ich dich dann mal was fragen?«
»Na klar«, sage ich mit einem gezwungenen Lächeln.
»Hatte ich recht?«
Ich betrachte die Karte und tue so, als könnte ich mich nicht zwischen einem Burrito und einem Taco entscheiden.
»Mit was?«
»Mit dem Kleid.« Sie legt die Karte jetzt weg und verschränkt ihre dünnen, braun gebrannten Arme. »Dem Brautkleid? Hör zu, ich weiß, das geht mich nichts an, aber ich glaube, der Grund, warum du dein Brautkleid anhattest, als ich kam, und warum du betrunken warst …«
Bei »betrunken« zucke ich zusammen.
»… und warum du geraucht hast …«
»Jetzt reite nicht so darauf herum.«
»… ist, dass du unglücklich bist wegen Martin, weißt du, und weil …«, sie legt den Kopf schief und sieht mich mitfühlend an, wodurch ich mich noch schrecklicher fühle, »… die Hochzeit nicht stattgefunden hat?«
»Wenn es doch nur so einfach wäre«, erkläre ich auf diese Du-würdest-das-sowieso-nicht-verstehen-du-bist-erst-siebzehn-Art.
Aber offenbar versteht sie es, weil sie dann nämlich fragt: »Caroline, wie oft hast du
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