Roman
Gesicht fühlen, während sich seine Brust neben meiner hebt und senkt.
Tatsächlich können wir nicht nebeneinandersitzen. Es ist Ferienzeit, und der Zug ist voller lärmender Kinder, zankender Geschwister und genervter Eltern mit Tüten voller Sandwiches und Rucksäcken voller Plastik-Kinderspielzeug. Schließlich finde ich einen Platz an einem Tisch bei einer Familie, während Toby auf der anderen Seite des Zuges neben einer Frau sitzt, die an einem Laptop arbeitet. Wir können uns nicht mal unterhalten. Ich suche Tobys Blick, aber er ist in seine Zeitung vertieft und nicht zu erreichen, also bleibt mir nichts anderes übrig, als aus dem Fenster zu starren, während mein Magen sich noch mehr zusammenzieht. Denkt er an Rachel? Hat er ein schlechtes Gewissen? Weil ich ganz sicher eins habe. Es wird langsam wirklich unangenehm. Wenn ich etwas tue wie jetzt, mich also an das Zugfenster lehne und versuche einzuschlafen, taucht sie plötzlich in meinem Kopf auf, mit ihrem schönen Lächeln und ihren freundlichen Augen, und sagt Sätze aus ihrer E-Mail: »Es war so nett, dich am Samstag endlich kennenzulernen, obwohl ihr sehr plötzlich gegangen seid! Ich wollte mich nur erkundigen … Wir haben dich doch nicht vertrieben, oder?«
Es war so viel einfacher, bevor ich sie kannte, so viel einfacher, als ich noch kein Bild von ihr vor Augen hatte, als sie für mich nicht real war.
Als wir aussteigen und die riesigen viktorianischen Bögen des Bahnhofs von Brighton durchschreiten, die nach Sonnencreme und Ferien riechen, hebt sich meine Laune jedoch wieder. Die Sonne scheint und verwandelt den Bahnhof in eine Art tropischen Indoor-Garten. Toby nimmt meine Hand. »Bist du bereit für den Strand, Steeley?«, fragt er und küsst meinen Kopf.
Das Hotel könnte perfekter nicht sein: eine Luxusvilla mit zwei Giebeln, opulent mit rotem Samt und vornehmen cremefarbenen Polstern eingerichtet. Unser Zimmer ist geschmackvoll und sonnendurchflutet, und durch die langen Schiebefenster blickt man aufs Meer.
Ich stelle meine Taschen ab, lehne mich an den Fensterrahmen und sehe hinaus; das Meer glitzert im Sonnenlicht, der alte, abgebrannte West-Pier erhebt sich wie eine vielbeinige Spinne aus dem Meer, der Himmel ist strahlend blau, und nur eine einzige Wolke zieht darüber, wie eine verlorene Seele aus einer anderen Welt. Toby tritt hinter mich und legt seine Arme um mich, küsst meinen Hals.
»Wir könnten einfach den Nachmittag über hier bleiben«, schlägt er vor und unterstreicht jedes Wort mit einem Kuss. »Endlosen Sex haben, Martini on the Rocks trinken, baden, wie wir es im Malmaison gemacht haben …«
Ich löse mich aus seinen Armen und gehe ins Badezimmer.
»Hier gibt es nur eine Dusche«, erkläre ich. »Außerdem würde ich lieber rausgehen.«
»Wirklich? Jetzt?«, fragt er.
»Ja, komm schon.« Der Knoten in meinem Magen ist stur, er scheint sich nicht auflösen zu wollen. »Wir sind schließlich nicht den ganzen Weg nach Brighton gefahren, um den Tag über im Zimmer zu sitzen.«
»Also gut, cool«, sagt Toby und nickt langsam mit dem Kopf. »Und was willst du machen?«
»Mein Gott, es gibt doch so viele Möglichkeiten«, entgegne ich und trete von einem Fuß auf den anderen. »Wir sind am Strand, wir können doch Stranddinge tun.«
»Okay«, meint Toby. »Ja, natürlich.«
»Am Strand entlangspazieren, auf den Pier gehen, Fish and Chips essen, durch die Lanes bummeln.«
»Was sind die Lanes?«
»Das Einkaufsviertel«, erkläre ich. »Hast du dich denn nicht umgesehen, als wir für dieses Brainstorming-Wochenende im April hier waren?«
»Äh, doch, aber ich habe das nicht alles behalten, weißt du …«
Wir gehen die Promenade entlang, weichen Inlineskatern aus und sehen den Straßenkarikaturisten zu, die auf Aufträge hoffen.
»Komm, wir lassen uns porträtieren«, schlägt Toby spontan vor.
Ich sehe ihn ungläubig an. »Meinst du das ernst?«
»Ja, warum nicht? Das wird lustig, und wir sind schließlich am Strand, oder nicht? Macht man so etwas nicht am Strand? Zuckerwatte essen und sich karikieren lassen?«
Ich frage mich, ob er da nicht etwas grundlegend falsch verstanden hat.
»Also, ich lasse keine Karikatur von mir zeichnen«, erkläre ich und suche in seinem Gesicht nach Anzeichen dafür, dass das vielleicht nur ein Witz war. (Es gibt keine.) »Aber du kannst das ruhig machen, ich sehe dir zu, das ist in Ordnung.«
Also setze ich mich in einen Sessel neben Toby, der auf einem Hocker sitzt, der
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