Roman
viel zu klein für ihn ist, sodass seine Beine ihm fast bis zum Kinn reichen, was ihn ziemlich grotesk aussehen lässt, wie einen Gartenzwerg. Der Mann zeichnet schweigend, und Tony verzieht sein Gesicht zu einem unbewegten Grinsen, genau wie ich. Es scheint eine Ewigkeit zu dauern.
Das ist bizarr. Hält er mich für verrückt? Glaubt er tatsächlich, dass ich jemanden dafür bezahle, mich lächerlich aussehen zu lassen, indem er meine sowieso schon dicke Nase und meine hohe Stirn zusätzlich betont? Wahrscheinlich würde ich eher sterben.
»Bitte sehr, Sir. Gefällt es Ihnen?« Nach einer gefühlten Ewigkeit dreht der Karikaturist das Bild um. Es zeigt Tony als Karikatur: mit buschigen Augenbrauen, betonter Haartolle, riesigem Kinn und einem gigantischen Lächeln, bei dem er die Zähne bleckt. Er sieht aus wie eine Kreuzung aus dem Fernsehmoderator Bruce Forsyth und Tim von Tim und Struppi .
Toby lacht. »Sieh dir das an! Urkomisch! Das ist brillant!«
Ich lache auch.
»Das ist brillant«, wiederhole ich, nicht wirklich in der Lage, enthusiastisch zu klingen. Können wir jetzt endlich gehen, bevor der Mann auch noch anfängt, mich zu malen?
Der Nachmittag ist schwülwarm, und wir vertreiben uns die Zeit wie junge Liebende auf ihrem ersten Ausflug.
Wir rollen unsere Jeans auf und laufen ins Meer, wo Toby mich so bespritzt, dass meine Jeans bis zum Knie nass ist. Dann hebt er mich hoch und tut so, als wolle er mich ins Wasser werfen. Wir holen uns Eis mit einer Schokoladenstange darin und laufen über den Pier, kichern, während wir versuchen, es zu essen, bevor es schmilzt. Wir sitzen Hand in Hand vor einer Bar namens Herkules und lauschen den Leuten, die in der klimatisierten Dunkelheit Karaoke singen, während draußen die Sonne brennt.
Schließlich schlendern wir, angesäuselt vom Bier, zu der Vergnügungsmeile, wo mollige, braun gebrannte Paare – die Frauen mit dicken Knien und viel zu engen Trägertops, die Männer mit Bäuchen wie Strandbälle – Münze nach Münze in die Glückspielautomaten werfen. Ich gewinne 1,22 Pfund am Penny-Wasserfall und kaufe uns Zuckerwatte. Dann gehen wir in den Musikexpress, wo mir schlecht wird und Toby über mich lacht.
Jeder, der uns sieht, könnte glauben, wir befänden uns in einer britischen Romantikkomödie, in einem Film über zwei junge Liebende, die ein gemeinsames Wochenende genießen, aber in meinem Kopf weiß ich, dass der Soundtrack nicht läuft. Ich weiß, dass es sich für mich nicht so anfühlt.
Wir trinken Kaffee in einem Fish-and-Chips-Restaurant an der Promenade. Die Wolkendecke ist jetzt dichter, und der Wind hat aufgefrischt. Das, was vorher eine strahlend blaue See war, auf der das Sonnenlicht tanzte, sieht jetzt eher braun und matt aus.
Ich beobachte, wie Tony die Kaffeetassen zu unserem Tisch herüberträgt. Er lächelt, und ich erwidere sein Lächeln, aber ich bin mir des unangenehmen Gefühls bewusst, das mich durchdringt, eine Art Loslösung, als wäre ich zwar körperlich anwesend, aber nicht mit dem Herzen dabei. Als würde ich mich selbst beobachten und das alles nur spielen.
Toby stellt den Kaffee vor mir ab. »Geht es dir gut?«, fragt er. »Du siehst ein bisschen blass aus. Ist dir immer noch schlecht vom Musikexpress?«
»Mir geht’s gut«, antworte ich und zwinge meine Mundwinkel nach oben.
Er setzt sich, und das Licht fällt durch das Fenster auf sein Gesicht. Ich denke wieder, wie unglaublich attraktiv er ist, mit seinem Pony und den vom Wind zerzausten Haaren, dem Dreitagebart, den perfekt geformten Augenbrauen, der Art, wie seine Schneidezähne leicht auf seiner prallen Unterlippe aufliegen und ihn so verletzlich wirken lassen, so jungenhaft.
Er fängt an, mit mir zu reden: »War das nicht lustig, als …«, sagt er, und ich nicke und sage auch hin und wieder etwas. Aber andere Geräusche – die immer präsenten Möwenschreie, das Klappern von Geschirr, während weißhaarige Ehepaare mit falschen Zähnen schweigend Fish and Chips essen – übertönen ihn, genauso wie die Stimme in meinem Kopf. Weil ich hier, in diesem eher schäbigen Café mit seinen kitschigen, schrillen Postern von hawaiianischen Landschaften, die Dinge plötzlich so sehe, wie sie wirklich sind.
Das hier ist nur eine Illusion. Das hier ist nicht real. Wir können nach Brighton fahren und wilden, leidenschaftlichen Sex in einem teuren Hotel haben, über den Pier spazieren und ein Paar spielen, so lange, wie wir wollen, aber wir sind keins. Herrgott,
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