Roman eines Schicksallosen (German Edition)
Ferien, seit dem Frühling schon. Sie haben sich darauf berufen, dass Krieg ist. Auch Flugzeuge kommen oft und bombardieren die Stadt, und für Juden gibt es seither neue Gesetze. Seit zwei Wochen bin auch ich zur Arbeit verpflichtet. Man hat mich mit einem amtlichen Schreiben benachrichtigt: «Ihnen wird ein ständiger Arbeitsplatz zugewiesen.» Adressiert war es: «An den zum Hilfsarbeiter auszubildenden Heranwachsenden Köves György», und so habe ich gleich gesehen, dass das Jungvolk die Hände im Spiel hat. Ich hatte allerdings auch schon gehört, dass jetzt in Fabriken oder an ähnlichen Orten auch diejenigen beschäftigt würden, die altersmäßig noch nicht ganz vollwertig sind für den Arbeitsdienst, so wie ich zum Beispiel. Mit mir sind noch etwa achtzehn Jungen dort, aus ähnlichen Gründen, ebenfalls um die fünfzehn. Der Arbeitsplatz ist in Csepel, bei einer Aktiengesellschaft, die sich «Shell Erdölraffinerie» nennt. So bin ich auch zu einem gewissen Privileg gekommen, weil es sonst verboten ist, mit dem gelben Stern das Stadtgebiet zu verlassen. Mir hingegen wurde ein ordnungsgemäßer Schein ausgehändigt, sogar versehen mit dem Stempel des Kommandanten der Rüstungsindustrie, und da ist verfügt, dass ich «die Zollgrenze nach Csepel überschreiten» darf.
Die Arbeit selbst kann man nicht besonders anstrengend nennen, und so, mit den Jungen zusammen, ist sie sogar ganz vergnüglich: Sie besteht in Hilfsarbeiten im Aufgabenbereich des Maurers. Die Anlage ist nämlich einem Bombenangriff zum Opfer gefallen, und mit unseren Bemühungen sollen die von den Flugzeugen angerichteten Schäden wieder behoben werden. Auch der Polier, dem wir unterstellt sind, ist mit uns ganz gerecht: Er zahlt uns am Wochenende sogar einen Lohn aus, genauso wie seinen richtigen Arbeitern. Doch meine Stiefmutter hat sich vor allem über den Ausweis gefreut. Bis dahin hat sie sich jedes Mal, wenn ich irgendwohin gehen wollte, die größten Sorgen darüber gemacht, wie ich mich ausweise, falls das einmal vonnöten sein sollte. Jetzt braucht sie sich diese Sorgen nicht mehr zu machen, denn der Ausweis bescheinigt mir ja, dass ich nicht einfach nur so dahinlebe, sondern in der Industrie kriegswichtige Arbeit leiste, und das untersteht selbstverständlich einer ganz anderen Beurteilung. Das sieht auch die Familie so. Bloß die Schwester meiner Stiefmutter hat ein bisschen die Hände gerungen, dass ich solche körperliche Arbeit verrichten muss, und, schon am Rand der Tränen, gefragt: Bist du dafür aufs Gymnasium gegangen? Ich habe ihr gesagt, meiner Meinung nach ist das nur gesund. Auch Onkel Vili hat mir gleich recht gegeben, und Onkel Lajos hat gemahnt: Wir müssen hinnehmen, was Gott für uns beschlossen hat; darauf war sie dann still. Dann hat mich Onkel Lajos beiseitegenommen und noch ein paar ernstere Worte mit mir gewechselt: unter anderem hat er mich ermahnt, nicht zu vergessen, dass ich an meinem Arbeitsplatz nicht nur mich selbst, sondern die «gesamte Gemeinschaft der Juden» zu vertreten und deshalb auch ihretwegen auf mein Benehmen zu achten habe, da es nunmehr im Hinblick auf sie, auf sie alle, beurteilt werde. In der Tat, daran hätte ich gar nicht gedacht. Aber ich habe eingesehen, dass er natürlich recht haben kann.
Von meinem Vater kommt regelmäßig Post aus dem Arbeitslager: Er ist gesund, Gott sei Dank, er erträgt die Arbeit gut, und auch die Behandlung – so schreibt er – ist menschlich. Die Familie ist zufrieden mit dem Inhalt der Briefe. Und Onkel Lajos ist der Ansicht: «Bisher ist Gott mit deinem Vater», und hat mich ermahnt, täglich zu beten, dass Er ihm weiterhin beistehe, weil Er ja mit Seiner Macht über uns allen walte. Und Onkel Vili hat uns versichert, wir hätten sowieso nur noch «eine kurze Übergangszeit» durchzustehen, denn – so erläuterte er – die Landung der Alliierten habe «das Schicksal der Deutschen endgültig besiegelt».
Mit meiner Stiefmutter bin ich bis jetzt auch ohne jegliche Meinungsverschiedenheit ausgekommen. Im Gegensatz zu mir ist sie jetzt zum Faulenzen gezwungen: Es ist nämlich angeordnet worden, das Geschäft sei zu schließen, da niemand Handel treiben darf, der nicht reinen Blutes ist. Aber es scheint, dass mein Vater mit Herrn Sütő auf die richtige Karte gesetzt hat, denn dieser bringt uns jede Woche getreulich, was meiner Stiefmutter vom Ertrag unseres Holzlagers zusteht, das jetzt bei ihm ist, so, wie er es meinem Vater versprochen hat. Auch
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