Roman mit Kokain (German Edition)
hängten sich, ganz unabhängig vom Willen der sie schleudernden Hand, an dieses magnetische Lächeln von Burkewitz. Es sah jetzt so aus, als hätte Burkewitz geflucht und als hätten die letzten Worte über Puschkin und Lermontow schon ganz allein ihm gegolten.
«Sie, Vater», entgegnete Burkewitz mit leiser und schrecklicher Stimme , « kennen, so scheint es, Puschkin und Lermontow nur aus den staatlichen Anthologien und halten eine engere Bekanntschaft mit ihnen, sofern diese Ihrer Meinung widersprechen, für überflüssig.»
«Ja», entgegnete der Geistliche hart , » für Sie halte ich die weitere Bekanntschaft mit diesen Schriftstellern für überflüssig, wie ich für unerlässlich halte, dass man einer Rose, die man einem Kind schenkt, zuerst die Dornen abschneidet. So ist das. Und jetzt erlauben Sie mir, noch einmal alle daran zu erinnern, dass die Unflätigkeiten, die ich vernahm, eines Christen unwürdig und unzulässig sind .»
Die letzten Worte sagte er scharf, während er sich mit seiner alten, ein wenig zitternden Hand über dem violetten Gewand bekreuzigte. «Was steht er denn noch da, warum geht er nicht ?» , dachte ich, aber dann schaute ich Burkewitz an und verstand. Burkewitz’ Gesicht war irgendwie schmaler und grau geworden, es zuckte, und die Augen sahen mit durchdringendem Hass dem Geistlichen geradewegs ins Gesicht. «Gleich schlägt er ihn » , dachte ich.
Burkewitz warf die Arme krampfartig nach hinten, als fange er jemanden hinter sich ab, machte einen Schritt nach vorn und sprach mit unerwartet klangvoller Stimme: «Unflätigkeiten, wie Sie geruhten zu bemerken, sind eines Christen unwürdig. Nun ja, dagegen sagt auch niemand etwas. Aber wenn Sie, ein Diener Gottes, sich schon vorgenommen haben, uns auf den Pfad der Wahrheit zu führen, dann sehen Sie es mir nach, wenn ich Sie frage: Wo, worin, wann und wie zeigten Sie selbst diese uns unbekannten Tugenden eines Christen, deren unbedingte Ausübung Sie sich entschlossen, uns hier beizubringen? Übrigens, wo waren Sie, mit Ihrer christlichen Tugend, als vor zehn Monaten blutrünstige Massen mit bunten Fetzen durch Moskaus Straßen drängten, Massen sogenannter Menschen, die in ihrer Blutrünstigkeit und Einfältigkeit selbst dem Vergleich mit einer Horde wilder Tiere nicht standhalten können – wo waren Sie, ein Diener Gottes, an diesem für uns so entsetzlichen Tag? Warum haben Sie, Anhänger des Christentums, uns Kinder, wie Sie uns nennen, nicht versammelt, hier in diesen Mauern, in diesem Haus, wo Sie sich auch getraut haben, uns die Gebote Christi zu lehren? Wo waren Sie, frage ich, und warum schwiegen Sie damals, am Tag der Kriegserklärung, am Tag, als das Gesetz über die Anstiftung zum Brudermord bekannt gemacht wurde? Und jetzt erheben Sie plötzlich Ihre Stimme, weil Ihnen hier Flüche zu Ohren gekommen sind! Doch nicht etwa, weil der Brudermord weniger dem Verständnis Ihrer christlichen Tugend widerspricht als die hier geäußerten Flüche?! Ich gebe zu: Zu fluchen , wie hier geflucht wird, gebührt einem Christen nicht, und Sie haben zu Recht, ja zu Recht dagegen protestiert. Aber wo waren Sie, ein Diener Christi, wo waren Sie all diese zehn Monate, als man täglich und minütlich Kindern mit Gewalt die Väter nahm und noch nimmt, und den Müttern ihre Söhne, um sie, einmal fortgenommen, gewaltsam ins Feuer zu schicken, zu morden und zu sterben – wo waren Sie diese ganze Zeit, und warum haben Sie in Ihren Predigten nicht protestiert gegen all diese Vergehen, wenn auch nur so, wie Sie es hier gegen die gehörten Flüche getan haben? Warum? Warum? Doch nicht etwa, weil all diese Grauen nicht den christlichen Tugenden widersprechen? Woher nahmen Sie, würdiger Wächter über das Christentum, in sich die Frechheit, zu lächeln und uns aufmunternd mit Ihrem gesalbten Haupte zuzunicken, als Sie einmal, über den Schulhof schreitend, sahen, wie man uns, Ihren Kindern, täglich den Umgang mit dem Gewehr beibringt, wie man uns die Kunst des Brudermords lehrt? Wozu lächelten Sie so ermunternd, als Sie zu uns sahen, und warum schwiegen Sie? Doch nicht etwa, weil es Ihrer christlichen Tugendhaftigkeit schmeichelt, dass man Kindern den Umgang mit dem Gewehr lehrt? Und wie konnten Sie es wagen, die Sie sich hinter Christi Namen verstecken, vorsätzlich das Gebot Desjenigen zu missachten, mit Dessen leuchtendem Namen Sie Ihr armseliges Leben zu rechtfertigen wünschen? Woher nehmen Sie das Recht, dafür zu beten, hören Sie, zu
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