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Roman mit Kokain (German Edition)

Roman mit Kokain (German Edition)

Titel: Roman mit Kokain (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Agejew
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der bitteren Kränkung davon abhielte, es, das Mädchen, das ich liebte, bis zur Selbsterniedrigung von meiner Unschuld überzeugen zu wollen, während ich dies aber mit ausgesprochener Leichtigkeit bei jeder anderen Frau täte, die mir gleichgültig wäre. In diesen kurzen Minuten überzeugte ich mich zum ersten Mal und am eigenen Leibe davon, dass sogar das garstigste Menschenexemplar solche Gefühle haben kann, jene unversöhnlichen, stolzen, uneingeschränkte Gegenseitigkeit fordernden Gefühle, denen das Leid der bitteren Einsamkeit lieber ist als die Freude eines Erfolgs, den der Verstand auf erniedrigende Weise errungen hat.
    «Und was ist das für ein Herr, dem sie da Blumen schickt ?» , dachte ich bei mir, und mich überkam eine solche Müdigkeit, dass ich mich am liebsten gleich hier auf der Treppe hingelegt hätte. Herr. He-rr . Was ist das nur für ein Wort? Barin 24 dagegen, das ist klar und überzeugend. Aber Herr , was ist das schon, das kann doch niemand ernst nehmen. Ich schloss die Tür auf, durchschritt den kleinen Flur unserer ärmlichen Wohnung und ging, getrieben von dem sehnlichen Wunsch, mich so schnell wie möglich aufs Sofa zu legen, in mein Zimmer. Es war schon aufgeräumt, aber es war sommerlich staubig, hell und schäbig. Auf dem Schreibtisch jedoch lag ein bauchiges Paket aus weißem Seidenpapier, das an der Naht mit Nadeln zusammengesteckt war. Es waren Sonjas Blumen, mit einer Notiz und der Bitte, sie noch heute Abend zu treffen.

4
    Gegen Abend hörte der Regen auf, aber die Trottoirs und der Asphalt waren noch nass, und die Laternen spiegelten sich darin wie in schwarzen Seen. Die kolossalen Kandelaber zu beiden Seiten des granitenen Gogol 25 summten leise. Das Licht ihrer milchigen, von einem Netz eingefassten Kugeln, die oben an den gusseisernen Masten hingen, erreichte jedoch kaum den Boden, nur verstreut leuchteten ihre Goldmünzen in den schwarzen Haufen nassen Laubs auf. Als wir aber vorbeigingen, fiel von der spitzen, von der steinernen Nase ein Regentropfen herab, fing im Fallen das Laternenlicht ein, flammte blau auf und erlosch gleich darauf. «Haben Sie das gesehen ?», fragte Sonja. «Ja. Natürlich. Ich habe es gesehen .»
    Wir gingen langsam und schweigend weiter und bogen in eine Gasse ein. In der feuchten Stille war zu hören, dass irgendwo jemand Klavier spielte, aber ein Teil der Töne war herausgerissen, wie es oft der Fall ist, wenn man auf der Straße unterwegs ist; nur die hellsten drangen zu uns vor und klatschten so ohrenbetäubend gegen die Mauern, als würde jemand im Zimmer mit dem Hammer auf eine Glocke dreschen. Erst direkt unter dem Fenster setzten auch die herausgefallenen Töne ein: Es war ein Tango. «Mögen Sie diese spanische Musik ?» , fragte Sonja. Ich antwortete aufs Geratewohl, nein, ich möge sie nicht, zöge die russische vor. «Warum ?» Ich wusste nicht, warum. Sonja sagte: «Die Spanier singen immer von der sehnsuchtsvollen Leidenschaft, die Russen dagegen von der leidenschaftlichen Sehnsucht – vielleicht deshalb, hm ?» – «Ja, natürlich. Ja, genau so ist es … Sonja » , sagte ich, mit süßer Mühe ihren stillen Namen überwindend.
    Wir bogen um eine Ecke. Hier war es dunkler. Nur eines der unteren Fenster war hell erleuchtet. Darunter, auf den runden, nassen Pflastersteinen, leuchtete ein Quadrat, als stünde auf der Erde ein Tablett mit Aprikosen. Sonja machte «Ach !» und ließ ihre Handtasche fallen. Ich bückte mich schnell, hob das Täschchen auf, holte ein Taschentuch hervor und begann es abzuwischen. Sonja achtete jedoch nicht darauf, was ich tat, sondern blickte mir angestrengt in die Augen, streckte die Hand aus und zog mir die Mütze vom Kopf; dann hielt sie sie vorsichtig, wie eine lebende Katze, in der gekrümmten Hand und strich mit den Fingerspitzen darüber. Vielleicht war es aus diesem Grund, vielleicht auch, weil sie mir weiter unablässig in die Augen blickte – jedenfalls trat ich (die Handtasche in der einen, das Tuch in der anderen Hand) zu ihr, beherrscht von der grässlichen Angst, jeden Augenblick in Ohnmacht fallen zu können, und umarmte sie. «Du darfst » , sprach es aus ihren Augen, die sie erschöpft schloss. Ich beugte mich vor und berührte leicht ihre Lippen. Vielleicht hatten ja genau so, mit der gleichen übermenschlichen Reinheit, mit der gleichen, kostbaren Schmerz verursachenden, freudigen Bereitschaft, alles wegzugeben – das Herz, die Seele, das Leben –, irgendwann vor sehr langer

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