Roman
Oder du?“
Er stand auf. „Ich seh schon, du willst einfach nicht vernünftig mit mir reden – warum auch immer“, sagte er beleidigt. „Aber dann musst du auch allein mit deinen Fehlern zurechtkommen.“
„Was für Fehler?“ Allmählich hatte sie genug.
„Nun, ein Student … Wohin soll das führen?“
„In die Ekstase, ins Nirwana oder so. Das hoffe ich zumindest“, gab sie spitz zurück.
Ihr Vater schüttelte den Kopf. „Wie stellst du dir die Zukunft vor?“
„Woher soll ich jetzt schon wissen, wie sich alles entwickelt?“, erwiderte sie erschöpft. „Ich werde es früh genug herausfinden und es euch rechtzeitig wissen lassen. Mit einer Sache ist allerdings Schluss: Ich lasse mir von euch keine Vorschriften darüber machen, mit wem ich meine Zeit verbringen darf und in welcher Form. Ich tanze ja schließlich nicht nackt auf dem Tisch.“
„Sind das die Hormone?“, fragte Klaus verunsichert. „Mama war damals auch für eine Weile etwas seltsam.“
„So ein Blödsinn.“ Wütend stampfte sie mit einem Fuß auf.
„Na ja, ich hoffe, du weißt, was das Richtige ist, und du wirfst dich nicht einem unreifen Burschen an den Hals, der nur das eine will.“
Jetzt musste Kristina lachen. „Und wenn es so wäre“, prustete sie los, „warum sollte ich auf meine alten Tage nicht auch noch ein bisschen Spaß haben?“
„Werd bitte nicht geschmacklos. Ich bin immer noch dein Vater“, entgegnete er entrüstet. „Ich gehe dann mal und packe. Ich verreise nämlich für ein paar Tage.“
„Schön, dass du mir das so beiläufig mitteilst. Darf ich auch erfahren, mit wem du verreist und wohin?“
Klaus sah sie verärgert an. „Mit Charlotte. Wir fahren nach Bayreuth und sehen uns den Ring an.“
„Na dann viel Spaß bei den Walküren. Und nimm dir ein Sitzkissen mit. Die Stühle im Opernhaus sollen ziemlich übel sein. Und der Jüngste bist du ja schließlich auch nicht mehr.“
Ihr Vater öffnete den Mund, klappte ihn aber gleich wieder zu und rauschte davon.
Kristina nahm sich einen Joghurt aus dem Kühlschrank und löffelte den Becher hektisch leer. Meine bucklige Verwandtschaft, dachte sie. Die können mir alle gestohlen bleiben. Ihr Blick fiel auf den Text, der auf der Verpackung stand. „Hilft gegen Blähbauch“, las sie laut. „Warum gibt es das nicht auch für aufgeblähte Egos?“
Sophie wohnte nun also bei ihrem Vater, Klaus wollte verreisen. Gestern noch hätte Kristina angesichts einer sturmfreien Bude einen Freudentanz vollführt. Doch jetzt war ihre Beziehung mit Tom offiziell, ihre Familie war sauer, und Tom hatte keine Zeit. Schöne Bescherung. Sie holte sich ein Glas aus dem Schrank und goss sich etwas Weißwein ein. „Herzlichen Glückwunsch, Frau Schuster. Operation gelungen, Patient tot.“
Dann verzog sie sich in ihr Reich. Im Grunde war nun alles ganz genau wie früher: Sie war allein zu Hause, und keinen kümmerte es. Seufzend ließ sie sich auf die Couch fallen und legte die Füße hoch. Das hatte sie schon seit einigen Wochen nicht mehr gemacht – seit Tom in ihr Leben getreten war. Davor war es für sie völlig normal gewesen, nach dem Essen allein in ihrem Wohnzimmer zu sitzen, zu lesen oder fernzusehen. Nun kam es ihr vor, als hätte sie das vor einer halben Ewigkeit zuletzt getan. Dabei war sie erst seit zwei Monaten mit Tom zusammen. Ob das schon das Ende war?
Traurig dachte sie an Sophie und an den Streit mit ihrem Vater. Bei Peter hatte keiner von ihnen so einen Terz gemacht. Und nur weil Tom jünger war, war sie doch noch keine durchgeknallte Alte, die sich dem Nächstbesten an den Hals warf. Nein, Tom war etwas Besonderes. Er tat ihr gut, und er schien es wirklich ernst zu meinen. Der einzige Störfaktor war ihre Familie, die wie eine Herde wild gewordener Elefanten dieses kleine Beziehungspflänzchen platt zu trampeln drohte. Doch so einfach würde Kristina nicht klein beigeben.
Sie tippte eine SMS an Tom: Ich denke an dich!
Prompt antwortete er: Wir stehen das durch!
Und ob!, schrieb sie zurück.
Die folgenden Tage gingen schleppend vorüber. Auch wenn Tom häufig anrief, weil die Sehnsucht größer war als der berufliche Ehrgeiz, so blieb doch mit jedem weiteren Tag ein kleines Stückchen von ihrem Kampfgeist auf der Strecke.
„Eine heimtückische Strategie, die deine Kinder da verfolgen“, stellte Rita fest. „Die setzen voll auf die Zermürbungstaktik.“
„Sie kochen mich weich, so einfach ist das. Keine Mutter kann mit einem
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