Roman
Liebesentzug ihrer Kinder leben.“
„Sei stark“, wollte ihre Freundin sie ermutigen. „Alles geht vorbei, auch dieser Zustand. Glaub mir. In zehn Jahren lachen wir darüber.“
Dennoch fühlte Kristina sich zunehmend unglücklicher. Seit dem Eklat hatten weder Sophie noch Philipp von sich hören lassen. Und Kristina litt furchtbar darunter.
„Mit diesem Gesicht wirst du Shrek immer ähnlicher“, stellte Rita eines Morgens fest. „Zum Färchdn. Diese Dauerdepri-Stimmung hier halt ich nicht mehr lange aus. Das schlägt ja jedem aufs Gemüt. Auch mir. Und die Patienten reden schon.“
Damit hatte Rita gar nicht so unrecht. Selbst Frau von Dannewald hatte sich nach Kristinas Befinden erkundigt und ihr Johanniskraut als Stimmungsaufheller empfohlen. „Jaja, die Wechseljahre“, hatte Frau von Dannewald gesagt. „Darauf müssen Sie sich die nächsten Jahre nun einstellen.“
Wenn’s nur die Hormone wären, dachte Kristina deprimiert. Was war nur aus ihr geworden? Früher war ihr das Leben wie ein langer ruhiger Fluss vorgekommen. Jetzt war daraus ein reißender Strom mit steilen Wasserfällen darin geworden, die alles hinabrissen – und sie war mittendrin. So hatte sie sich das alles nicht vorgestellt. Wenn sie an ihren Ex dachte, bekam sie noch schlechtere Laune. Peter schien alles mühelos zu gelingen. Er hatte die Scheidung bestens verkraftet und hatte bereits eine neue Frau an seiner Seite, die von allen – einschließlich ihrer gemeinsamen Kinder – akzeptiert wurde. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, hatte er mit der Neuen sogar ein Kind gezeugt, denn seine Julia war ja noch jung. Das ist alles so ungerecht, überlegte Kristina.
Rita schleppte jede Menge Bücher für sie an, Ratgeber für alle Lebenslagen. Kristina blätterte jedoch nur lustlos darin herum. Zu allem Übel hatte Tom außerdem wenig Zeit für sie. Er fehlte ihr. Genauso wie ihre Kinder. Sophie und Philipp waren nun mal die wichtigsten Menschen in ihrem Leben. Sie wollte weder Tom noch ihre Kinder verlieren. So weit darf es nicht kommen, dachte sie und schickte ein Stoßgebet gen Himmel. Wenigstens näherte sich Toms Abgabetermin für den Architekturwettbewerb, und damit würde es mit seinen nächtlichen Arbeitssessions bald vorbei sein.
„Am Samstag lade ich dich schick zum Essen ein“, hatte Tom ihr versprochen. „Damit dieses Elend ein Ende hat.“
Als könnten ein paar köstliche Kalorien den Kummer über den Liebesentzug ihrer Kinder beenden.
Dann kam der Freitag – und mit ihm eine völlig überraschende Wende, von der Kristina nicht einmal zu träumen gewagt hätte.
Sophie tauchte unerwartet in der Praxis auf. „Hi Mum“, begrüßte sie sie cool. „Ich habe nachgedacht … Das mit Tom, das ist schon okay.“
Kristina war sprachlos.
„Der Laie staunt, der Fachmann lacht“, sagte ihre Tochter mit einem frechen Grinsen und legte den Arm um ihre Schultern. „Du kannst den Mund wieder zuklappen.“
Kristina hatte noch ihre Zweifel, ob das gerade wirklich stattfand oder ob sie unter einer Halluzination litt. „Kannst du mich mal zwicken? Aua!“
„Ich war einfach ziemlich schockiert, als ich euch so gesehen habe“, erklärte Sophie. „Ist ja auch irgendwie verständlich, oder?“
Kristina schmolz augenblicklich dahin und glaubte fast, nur noch aus Gefühlen zu bestehen, als ihre Tochter sie nun umarmte. „Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dass du das sagst“, flüsterte sie und drückte Sophie an sich. „Du und Philipp, ihr seid doch die wichtigsten Menschen in meinem Leben.“ Ein paar Tränen rannen über ihr Gesicht.
„Kein Grund zu weinen“, sagte Sophie. „Du hast doch sicher nichts dagegen, wenn ich wieder hier einziehe? Oder wohnt Tom jetzt bei dir?“
Verwirrt schaute sie ihre Tochter an. „Äh, nein, natürlich kannst du zurückkommen. Und Tom wohnt nicht hier. Gefällt es dir bei deinem Vater nicht mehr?“
Sophie machte ein genervtes Gesicht. „Julia ist schon irgendwie anstrengend, weißt du. Sie macht ein Riesentamtam um ihre Schwangerschaft. Inzwischen sieht sie wie eine Liftfaßsäule aus. Und sie hat Brüste wie Wassermelonen. Schuhe braucht sie auch keine mehr. Sie leidet definitiv an Elefantitis im fortgeschrittenen Stadium. Und dabei hat sie noch drei Monate vor sich. Ihre Füße sind so dick, die passen höchstens noch in Schuhkartons.“
„Das macht die Sache erheblich billiger“, lästerte Kristina mit.
„Außerdem mischt sie sich in alles ein“, fuhr Sophie
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