Roman
heraus, damit das Wasser ablaufen konnte.
Sophie starrte sie entgeistert an und stotterte: „Mama, ich kann nichts dafür. Tom wollte mich …“
„Ich denke, du solltest dich anziehen“, fiel Kristina ihr ins Wort. „Pack deinen Koffer und geh. Hier kannst du nach alldem jedenfalls nicht mehr bleiben. Warum gehst du nicht zurück zu Sven? Das ist für alle Beteiligten vermutlich das Beste.“ Damit verließ sie das Bad, während sie mit Mühe die Tränen zurückhielt.
„Aber Mama …“, rief Sophie noch, bevor Kristina die Tür zum Badezimmer zuschlug.
Wo war bloß Tom? Kristina fand ihn im Wohnzimmer. Er saß auf der Couch.
„Ich hatte den Kopfhörer auf. Ich habe zuerst gar nicht gemerkt, dass sie ins Bad gekommen ist. Ich dachte, du bist es. Und dann saß sie plötzlich in der Wanne. Oh, mein Gott“, stöhnte er.
Kristina ließ sich neben ihm auf das Sofa fallen. Erneut spürte sie, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Sie kämpfte dagegen an – vergeblich. Schluchzend schlug sie die Hände vors Gesicht. Tom legte den Arm um ihre Schultern und zog sie an sich.
„Es tut mir so leid“, flüsterte er und strich ihr übers Haar. „Ich verstehe nicht, warum sie das getan hat.“
Weinend schmiegte sie sich an seine Brust. „Wie kann sie nur so gemein sein?“
Tom suchte nach Worten, um sie zu trösten, doch ihm fiel nichts Passendes ein. So hielt er sie einfach fest und schwieg. Nach einer Weile beruhigte sie sich, und die Tränen versiegten. Als er niesen musste, griff er nach den Papiertaschentüchern, die auf dem Tisch lagen. Er reichte Kristina ein Taschentuch und nahm sich ebenfalls eins. Gemeinsam schneuzten sie sich. Nachdem sie sich beide geräuschvoll die Nase geputzt hatten, rang Kristina sich ein Lächeln ab.
„Wie soll es jetzt weitergehen?“, fragte sie ihn. „Ich dachte, meine Kinder hätten akzeptiert, dass wir zusammen sind. Und jetzt das.“ Wieder schossen ihr Tränen in die Augen, doch sie beherrschte sich. „Ich habe ihr gesagt, dass sie ihre Koffer packen soll.“
Tom nickte zustimmend. „Das war das einzig Richtige.“
Mit dem Handrücken trocknete sie sich notdürftig das Gesicht und verließ den Raum. Kurz darauf kam sie zurück und sagte: „Sie ist weg.“ Kristina holte tief Luft und seufzte. „Für diese Spielchen bin ich definitiv zu alt.“
„Und Sophie auch“, fügte Tom hinzu.
20
Eine unruhige Nacht lag hinter Kristina. Sie fühlte sich wie gerädert, als sie am Morgen aufstand. Zärtlich schaute sie zu Tom, der noch im Bett lag und friedlich schlummerte. Kristina schlüpfte in ihren Bademantel und ging auf Zehenspitzen ins Badezimmer. Hier hatte Sophie versucht, Tom zu verführen. Kristina konnte es immer noch nicht glauben, was ihre Tochter gestern angestellt hatte. Sie hielt sich am Waschbecken fest und starrte in den Spiegel. Meine eigene Tochter wird zu meiner Rivalin, dachte sie traurig. Wie tief sind wir gesunken. Sie studierte ihr Spiegelbild, sah die Augenringe. Der Schlafmangel und die vielen Tränen hatten ihre Spuren hinterlassen. Nicht nur in ihrem Gesicht: Kristina fühlte sich schrecklich. Seit ihrer Beziehung zu Tom gab es unentwegt Probleme – nicht zwischen ihm und ihr, nur mit ihrer Familie. Aber sollte sie für eine neue Liebe alles aufs Spiel setzen?
Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, überlegte sie. Selbst wenn sie nicht mit Tom zusammen wäre, würde er sich nicht für Sophie interessieren. Das hatte er ihr mehrfach gesagt, und Kristina glaubte ihm. Ihre Tochter war zwar jung, aber eben nicht sein Typ, und vor allem war sie viel zu unreif für einen Mann wie Tom. Jugend war schließlich nicht alles. Doch dass es zwischen Sophie und ihr zu diesem Eklat gekommen war, hatte andere Ursachen. Tom war bloß der Katalysator gewesen. Während Kristina nun duschte, stellte sie sich immer wieder dieselben Fragen. Wie sollte sie mit dem gestrigen Verhalten ihrer Tochter fertig werden? Wie sollten sie überhaupt in Zukunft miteinander umgehen?
Es war Tom, der ihrer Grübelei ein Ende bereitete. Mit zerzaustem Haar stand er plötzlich im Badezimmer und sah sie forschend an, während sie sich abtrocknete. „Guten Morgen, Krissi. Wie hast du geschlafen?“, wollte er wissen und nahm sie in den Arm.
„Mit Unterbrechungen“, gab sie zurück. „Und du?“
„Ging mir genauso. Ich hab total blöd geträumt.“
„Kleine Kinder, kleine Sorgen, große Kinder, große Sorgen“, entgegnete sie mit einem schiefen
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