Romana Exclusiv Band 0183
keine Zeit mehr für solche Gedanken, sie konzentrierte sich voll und ganz auf den schlüpfrigen Untergrund. Ihr gut trainiertes Pferd nahm den steilen Hang mit Bravour, und sie musste darauf achten, dass sie mitkam.
Plötzlich stand sie auf dem Gipfel des Mount Mayat, einer ausgedehnten, mit Gras und Schnee bedeckten Fläche. Um sie herum lagen die wilden Bergketten der Mayat Range, die sich bis zum Horizont erstreckten.
Am entfernten Ende des Plateaus enthielt eine Steinpyramide die Trophäe aus geschnitzter Jade, die der Sieger dieser Etappe gewonnen hatte. Sie schwang sich in den Sattel und trieb Gypsy an. Das Donnern von Hufen neben ihr bedeutete, Hugh hatte aufgeholt.
„Komm schon, meine Schöne, wir schaffen es!“, rief sie dem Pferd zu. „Nur noch ein paar Meter!“
Schwungvoll brachte sie dann die Stute vor der Pyramide zum Stehen und griff nach der Trophäe. Und genau im selben Moment legten sich Hughs Finger darum.
„Sie gehört mir!“, beharrte sie und versuchte, ihm das Stück zu entwinden.
Ebenso gut hätte sie mit einem Bären ringen können. Er gab die Trophäe nicht frei, sondern zog sie zusammen mit ihrer Hand aus der Höhlung. „Sieht nach unentschieden aus.“
Sie atmete heftig. „Derjenige, der zuerst unten ist, gewinnt!“, stieß sie hervor.
Nun ließ er die Trophäe los. Unwillkürlich presste sie die Trophäe gegen die Brust, um noch etwas von der Wärme seiner Finger zu bewahren.
„Gut, ein Unentschieden.“
Er nickte. „Bis jetzt … Wer hat sich diese Tour eigentlich ausgedacht?“
Sie steckte die Trophäe ein, legte die Hand auf den Sattelknauf und starrte hinüber zum Horizont. Gypsy senkte den Kopf und fing an zu grasen. „Es ist ein jahrhundertealtes Ritual für die jungen Männer von Carramer. Um zu beweisen, dass sie zu Männern geworden sind, mussten sie ein Wildpferd einfangen, es zähmen, damit hinauf zum Gipfel reiten und die Trophäe hinunterbringen. Diese hier ist eine Kopie des Originals, das hier oben gefunden wurde. Du kannst es im Museum von Nuee bewundern.“
„Ich verstehe nun auch, warum die Männer nicht wollten, dass Frauen an dieser Tour teilnehmen“, bemerkte er.
Das regte sie auf. „Es war reiner Aberglaube, er hing mit den Göttern zusammen, an die die Mayats damals glaubten. Muss ich dich daran erinnern, dass ich als Erste den Gipfel erreicht habe?“
„Ich habe nicht gesagt, du könntest es nicht schaffen“, bemerkte er milde. „Aber für mich ist jeder verrückt, der versucht, allein zum Gipfel zu reiten.“
„Du hättest es gewagt.“
Er schob sich den Hut in den Nacken. „Du auch, wenn du damals gelebt hättest, Prinzessin.“
Sie hatte das Gefühl, er konnte in ihr wie in einem offenen Buch lesen. „Woher willst du das wissen?“
Er grinste. „Du bist der Typ, der an die Grenzen geht, auch wenn er es eigentlich gar nicht muss.“
Sie nickte. „Manchmal liegt der Spaß darin, zu wissen, ich muss es gar nicht tun.“
Er musterte sie mit leicht zusammengekniffenen Augen. „Das hatte ich mir schon gedacht.“
Sie riss die Augen auf. „Wieso?“
Er deutete mit der Hand auf die grandiose Landschaft um sie herum. „Du bist hier, oder? Du hättest diesen Ritt nicht zu machen brauchen.“
„Du hast mir keine Wahl gelassen, wenn das Land in die richtigen Hände gelangen soll“, erinnerte sie ihn.
Er runzelte die Stirn. „Es ist bereits in den richtigen Händen, Lady.“
Noch nie hatte jemand sie so genannt. Niemals. Durch den anstrengenden Ritt hatte er wohl momentan vergessen, wer sie war, und behandelte sie wie jede andere Frau.
Küsste er andere Frauen auch so, wie er sie vorhin geküsst hatte? Dieser Gedanke dämpfte ihr Hochgefühl wieder. Für ihn war sie nichts Besonderes, weder als Prinzessin noch als Frau. Höchstens ein Hindernis für seine Pläne.
„Warum hast du mich geküsst?“, fragte sie spontan. Die Antwort auf ihre Frage war auf einmal unheimlich wichtig für sie.
Er wirkte überrascht. „Muss ich dafür einen Grund haben?“
„Den haben Männer normalerweise.“
„Dann haben dich also schon viele Männer geküsst?“
Beinahe hätte sie Ja gesagt. Aber es stimmte nicht. Ihre Unerfahrenheit beim Küssen war bestimmt nicht zu übersehen gewesen. „Ein paar.“
„Ich wette, alle reich und mit Titel.“ Es klang sarkastisch.
„So wie alle deine Frauen vom Land kommen und Pferde lieben?“
Er sah verwundert aus. „Ja, stimmt, die meisten. Warum?“
„Und meine sind reich und haben
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