Romana Exklusiv 0176
während der letzten Tage gründlich kennengelernt: seinen Charme, seinen Witz, aber auch seine Kälte. Sie liebte ihn noch mehr als zuvor, auch wenn dieses Gefühl ihr nur Schmerz bereitete.
„Anthea hält dich sogar für die richtige Frau für mich“, sagte Gideon unwillig. Nach dieser Enthüllung trank er erst einmal einen großen Schluck Whisky.
„Aber sie sollte mich doch lieb gewinnen“, wagte Merry zu sagen.
„Aber nicht als Ehekandidaten für mich!“
Merry wandte sich ab, um ihn ihr schmerzerfülltes Gesicht nicht sehen zu lassen.
Diese offene Ablehnung verletzte sie. Sie hatte nie die Illusion gehegt, dass Gideon sie eines Tages wiederlieben könnte. Sie kannte inzwischen seine Ansichten über Ehe und Bindung. Linda hatte völlig recht. Gideon würde sich niemals mit einer einzigen Frau begnügen, niemals heiraten. Schon in diesen anderthalb Wochen war er rastlos gewesen. Offenbar brannte er darauf, endlich in sein eigenes Leben, zu seinen eigenen Freunden – und Freundinnen – zurückkehren zu können.
„Vielleicht sollten wir Anthea einfach die Wahrheit sagen“, sagte sie leise.
„Bist du denn bereit, die Wahrheit zu akzeptieren?“
Merry schluckte. „Ich mag sie.“
„Genug, um ihre Tochter zu sein?“
„Ich glaube schon.“
„Es genügt nicht, dass du es glaubst, Merry“, erwiderte er barsch. „Du musst dir sicher sein. Du kennst Anthea jetzt. Sie könnte es nicht ertragen, dich zu verlieren, wenn sie dich endlich gefunden hat.“
Merry sah ihn an. Ihre grünen Augen funkelten im gleichen Schimmer wie das smaragdfarbene Abendkleid. „Alle Eltern müssen ihre Kinder eines Tages ihre eigenen Wege gehen lassen. Mein Vater hat es getan, und dennoch ist unsere gefühlsmäßige Beziehung genauso stark wie früher.“
Merry hatte Antheas Situation genau erkannt. Die psychische Verfassung ihrer Mutter war tatsächlich sehr labil. Gideon hatte damals nicht übertrieben. Aber Merry hatte nicht die Absicht, Antheas seelische Ausgeglichenheit zu erschüttern. Wie konnte Gideon das annehmen?
„Auch Anthea würde dich loslassen“, erwiderte er frostig. „Trotzdem: Erst wenn du sicher bist, ihr die Zuneigung geben zu können, die sie braucht, darfst du ihr die Wahrheit sagen.“
Merry seufzte. „Ich hatte dabei vor allem an dich gedacht. Wenn Anthea weiß, wer ich bin, brauchst du niemandem mehr etwas vorzumachen.“
„Ich werde es schon noch ein paar Tage aushalten“, meinte er spöttisch.
Da war Merry sich nicht so sicher! Ihr jedenfalls bereitete dieses Spiel große Schwierigkeiten. Es war die Hölle, vor aller Augen seine Zärtlichkeiten zu erwidern, während er sich kalt und abweisend gab, sobald sie allein waren. Ganz eindeutig vermied Gideon, es zu einer Wiederholung jener nächtlichen Szene an Deck kommen zu lassen. Falls er sich immer noch von Merry angezogen fühlte, so verstand er es gut zu verbergen. Zu gut!
„Darf ich um diesen Tanz bitten, Merry?“
Samuel Steele war es, der sie aus ihren trüben Gedanken riss. Merry nickte zustimmend und folgte ihm auf die Tanzfläche. In den letzten Tagen hatte sie sich des Öfteren mit Gideons Vater unterhalten. Samuel Steele war intelligent und charmant, ganz wie sein Sohn. Irgendwie ärgerte Merry das.
„Wer sind Sie, Merry?“
Verblüfft sah sie zu ihrem Partner auf. „Ich verstehe Sie nicht.“
„Hätten Sie etwas dagegen, eine Weile mit mir hinauszugehen?“, fragte Samuel in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ. „Ich möchte mich mit Ihnen unterhalten.“
„Äh … natürlich.“
Merrys Verwirrung war offensichtlich, als Samuel sie in die mondklare Nacht hinausgeleitete. Im Rücken spürte sie Gideons missbilligenden Blick.
Samuel führte sie zu einer einsamen Stelle an Deck und rückte ihr einen bequemen Stuhl zurecht. Dann nahm er ihr gegenüber Platz, wodurch sein breiter Rücken Merry vor neugierigen Blicken abschirmte. Sie fühlte sich beunruhigt.
„Ich wiederhole meine Frage“, sagte Samuel langsam, „wer sind Sie, Merry? Und ich möchte die Wahrheit hören, nichts von diesem dummen Schauspiel, das Sie und Gideon uns bisher geboten haben.“
„Ich bin Meredith Charles“, erklärte sie nervös. „Gideon und ich sind – Freunde.“
„Den Eindruck wollt ihr jedenfalls erwecken“, unterbrach Samuel sie. „Ganz bestimmt gibt es auch eine merkwürdige Anziehung zwischen euch, vielleicht sogar mehr. Aber ich habe Sie beobachtet. Das haben Sie doch sicher gemerkt?“
Ja, sie hatte es
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