Romana Exklusiv 0186
zweifellos tun viele Engländerinnen das, was du ‚austoben‘ nennst. Aber ich muss kein Hellseher sein, um deinen Charakter zu erkennen. Du bist anspruchsvoll. Deshalb verachtest du mich auch dafür, dass ich dich zur Ehe gezwungen habe. Eine junge Frau wie du träumt noch vom Ritter in glänzender Rüstung auf dem weißen Ross, an das Inbild der Ritterlichkeit.“
„Das hört sich an, als wäre ich eine dumme Gans“, protestierte sie.
„Nein“, er schüttelte den Kopf, „eine idealistische.“
Sie stritt nicht mit ihm, denn bis zu einem gewissen Grad schätzte er sie richtig ein. Dass sie anspruchsvoll war, sah man ihr an, so wie sie dasaß, das Gesicht halb verborgen hinter dem hohen Kragen ihres champagnerfarbenen Nerzmantels.
Irgendwie wünschte sie, Justin könnte wie Lukas sein, so erfolgreich, so charakterstark, von Natur aus so vertrauenswürdig, wenn es ums Geschäftliche ging.
„Du bist das unvorsichtigste Mädchen, das mir je begegnet ist“, sagte Lukas zu ihr. Sein Blick schien bis in ihr tiefstes Innere zu dringen. „Dass wir hier zusammen sind, musste so kommen.“
„Das redest du dir ein, Lukas, um dich von deinem Schuldgefühl zu befreien.“
„Von meinem Schuldgefühl?“, rief er aus.
„Ja, denn du bist Grieche, und der Gedanke, du hättest philotimo, gefällt dir.“
Er kniff die Augen zusammen. „Pass auf, was du sagst, wenn du mit mir über philotimo redest“, warnte er sie. „Du bewegst dich auf gefährlichem Boden, Bliss.“
„Das tue ich, seit ich dich kenne, Lukas. Ich habe einen Boden aus Treibsand betreten an dem Tag, als du nach Cathlamet gekommen bist, um die Übertragungsurkunde für den Familienbesitz meines Vaters entgegenzunehmen. Erfahren habe ich das erst, nachdem er gestorben war und der Anwalt mit Justin und mir darüber gesprochen hat.
Doch als ich mich an dein finsteres Wesen erinnerte und daran, wie rasant du in deinem Jaguar davongefahren warst, überraschte es mich nicht mehr, dass du uns in der Hand hattest. Jemanden wie dich hatte ich noch nie zuvor auf Cathlamet gesehen. Du warst kein Reiter in Reithose und Stiefeln, auch keiner von den rauen, aber herzlichen Männern aus Yorkshire, mit denen mein Vater so gern mal einen getrunken hat. An jenem Tag hätte ich schon merken müssen, dass du deinen dunklen Schatten über mein Leben wirfst.“
„Es ist nicht zu fassen!“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Ich habe deinen Vater nicht ruiniert. Er hat sich selbst zerstört. Ich habe aufgesammelt, was noch übrig geblieben war. T-t, darüber haben wir doch schon gesprochen, und allmählich macht es mich krank. Du verdirbst unseren Hochzeitstag!“
„Na schön“, erwiderte sie. „Dich das sagen zu hören ist das Einzige, woran ich heute meine Freude hatte.“
„Vielen Dank! Ich werde dir eine Lektion erteilen, wenn wir erst allein auf Dovima sind.“
„Aber deine Mutter wird doch da sein …“
„Sie bleibt während unserer zwei Flitterwochen bei einer Freundin in Athen.“
„Aha.“ Ihr Herz klopfte plötzlich schneller, als ihr klar wurde, was es bedeutete, mit Lukas allein zu sein. Sie blickte auf seine breiten Schultern unter dem feinen dunklen Stoff und fühlte sich bedroht. Sie blickte auf seine Hände, die so kräftig und stark waren, auf den goldenen Ring an seiner Rechten, der sein Recht bekundete, diese Hände über ihren Körper gleiten lassen zu dürfen.
Sie blickte in seine Augen und wusste, er las ihre Gedanken, als wären sie ihr auf die Stirn geschrieben.
„Ja“, sagte er leise, „wir werden allein sein, bis auf die wenigen Bediensteten, die die Villa für mich in Ordnung halten und sich um die Gartenanlage kümmern. Wir haben keine Nachbarn, nur ein paar Ziegen und die Delfine, die in Küstennähe schwimmen. Mach dich gefasst auf das, was dir bevorsteht, Bliss.“
Er sagte es nicht in kaltem Ton, vielmehr bedächtig, sinnlich. Dabei beugte er sich zu ihr hinüber und kam ihr so nah, als wollte er den Duft ihrer Haut und ihres Haars einatmen. Sie fühlte sich von ihm wie verzaubert, und so etwas wie Hilflosigkeit hielt sie in ihrem Bann, als er ihr Gesicht umfasste und ihre Augenlider küsste, erst das eine, dann das andere Lid, bis er die Lippen langsam zu ihrem Mund gleiten ließ.
Schließlich rückte er ein wenig von ihr ab. Bliss sah ihm in die Augen, sah die winzigen Reflexionen ihrer selbst in den dunklen, von seiner Sinnlichkeit erweiterten Pupillen.
Sie war teilnahmslos, denn seine
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