Romana Exklusiv 0187
Ihrem Rücken vorgeht“, sagte Tansy mit zusammengebissenen Zähnen, „denn irgendwann werde ich Sie dafür büßen lassen.“
„Die Spanier haben ein Sprichwort: ‚Nimm dir, was du willst, dann bezahl dafür.‘ Ich bin bereit zu zahlen.“
Er war ein Meister darin, keine Miene zu verziehen. Dennoch hatte Tansy den Verdacht, dass Leo ein bisschen weniger selbstsicher war als sonst.
„Zu welcher Insel fahren wir?“, fragte Tansy, während sie zum Boot gingen. Leo trug zwei Koffer, sie ihre Gitarre.
„Die geradeaus vor uns.“
Es war aussichtslos, zum Strand zu schwimmen. Die Insel musste mindestens eine Meile vom Land entfernt sein.
Leo schaltete den Motor ein und lenkte das Boot geschickt von der Anlegestelle weg und aus der Bucht.
Trotz ihrer Empörung und Frustration war Tansy plötzlich in Ferienstimmung. Inseln hatten etwas Weltfremdes, als würden die üblichen Regeln und Einschränkungen nicht mehr gelten. Auf einer Insel konnte alles passieren.
Und obwohl Tansy alles ablehnen wollte, was Leo mochte, war sie begeistert, als sich das Boot der Insel näherte. Pohutukawas säumten die Küsten und zogen sich den kleinen Berg hoch, die roten Blüten leuchteten in der heißen Sonne. Hinter den Bäumen begann der Urwald mit Taraires, Nikaupalmen, Baumfarnen und einem Unterholz aus Sträuchern und kleineren Bäumen. Beim Anblick der friedlichen, urzeitlichen Schönheit stockte Tansy der Atem.
Zu klein für Landwirtschaft, war die Insel in ihrem ursprünglichen Zustand belassen worden. Nur in einer Bucht konnte Tansy ein Haus mit einem Rasen davor ausmachen. Pohutukawabäume schützten es vor dem Seewind.
Tansy hatte den Archipel vom Festland aus schon gesehen, ihr war jedoch nie der Gedanke gekommen, dass jemand eine von diesen Inseln besitzen könne. Wie die maßgeschneiderten Anzüge, die Leo trug, wie die Schule, die er besucht hatte, und wie seine Selbstsicherheit machte die Insel deutlich, dass zwischen Leo Dacre und dem normalen Neuseeländer ein himmelweiter Unterschied bestand.
Als Leo unterhalb einer steinigen Landzunge anlegte und den Motor abstellte, nahm Tansys Begeisterung noch zu. Zikaden schwirrten in der kleinen Bucht, die Luft roch nach Salz, zwischen den Stämmen und knorrigen Ästen der Pohutukawas schimmerte blau das Wasser hindurch. Ein Sommer im Norden. Tansy hatte so vieles vergessen und wusste noch alles.
„Seltsam“, meinte Leo. „Sonst kommt immer jemand herunter, um mich abzuholen.“ Stirnrunzelnd kletterte er auf den Anleger und ging los.
Tansy nahm ihre Gitarre und folgte Leo. Am Ende des Anlegers begann ein schmaler Weg, der unterhalb der Klippen zum Haus führte. Dort wartete Leo auf Tansy.
„Sie sind ein Mädchen, das Ricky in Wellington geholfen hat und jetzt Erholung braucht.“ Leo streckte die Hand nach dem Gitarrenkasten aus.
„Wird Ihre Stiefmutter nicht Verdacht schöpfen, wenn Sie Rick erwähnen?“
„Warum sollte sie? Grace ist kein misstrauischer Mensch. Ich habe sie vorgestern angerufen und ihr gesagt, dass ich Sie gefunden habe und mitbringe. Meine Stiefmutter war entzückt. Natürlich wird sie alles über Ricky wissen wollen. Sie können sich Ihren Lebensunterhalt damit verdienen, ihre Fragen zu beantworten.“
Tansy unterdrückte ihre Wut. „Ist Ihre Stiefmutter daran gewöhnt, dass Sie Frauen auf der Straße auflesen und mit nach Hause bringen?“
„Nein, aber sie wird nichts dagegen haben.“
„Weil ich Rick bei mir aufgenommen habe? Oder weil Sie der große Leo Dacre sind?“
„Weil sie mich liebt und Sie mein Gast sind.“
Wie es wohl war, von jemandem so geliebt zu werden? „Manche Menschen haben alles Glück der Welt“, sagte Tansy matt und ging an Leo vorbei aufs Haus zu.
Es war alt, aber sehr gepflegt, und der Garten sah aus, als würden die Dacres einen Gärtner beschäftigen, der ständig hier wohnte.
Grace Dacre war ein bisschen blass, aber das hätte ebenso gut daher kommen können, dass sie gerade geschlafen hatte. Jedenfalls machte sie nicht den Eindruck, als wäre sie eine kranke Frau. Sie war groß und elegant, hatte feine Gesichtszüge und Ricks Augen. Als Leo ihr Tansy vorstellte, nahm sie Tansys Hand und fing an zu weinen. „Du hast sie hergebracht! O Leo, vielen Dank!“
Unwillkürlich hatte Tansy ihre Hand sofort zurückziehen wollen, doch der Kummer der älteren Frau rührte sie.
„Wie ging es Ricky, als Sie ihn das letzte Mal sahen?“, fragte seine Mutter. „Wo haben Sie ihn kennengelernt? Leo sagte,
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