Romana Exklusiv 0187
Leben etwas schiefgegangen ist. Sie liebt Kinder und sollte fünf oder sechs haben. Da mein Vater so jung gestorben ist, ist Ricky jedoch leider ihr einziges Kind, und sie hat ihn mit Liebe überschüttet.“
„Sie hätte Sie lieben können“, sagte Tansy gereizt.
„Hat sie. Grace war eine wirklich gute, verständnisvolle Stiefmutter, die mich meine eigenen Fehler machen ließ. Ja, ich sehe Ihnen an, dass Sie jetzt denken, sie sollte dasselbe Ricky zugestehen, aber ich strotzte vor Gesundheit. Er wäre mehrere Male fast in ihren Armen gestorben, und ich glaube, die Erinnerung daran wird sie nie los. Können Sie denn nicht verstehen, warum Grace so besorgt ist? Jede Mutter, deren Kind von zu Hause wegläuft, wäre das, doch sie hat jetzt wieder Angst, ihn für immer zu verlieren.“
Sie verstand es ja, nur musste sie Grace Dacres Wohl gegen Ricks abwägen, und seins ging vor.
Trotzdem fühlte sich Tansy schuldig, und sie versuchte, sich abzulenken, indem sie Leo darauf hinwies, dass die eingeschaltete Klimaanlage in seinem Auto dazu beitrage, das Ozonloch zu vergrößern.
„Machen Sie sie aus, wenn Sie wollen“, sagte er.
Tansy tat es. Sie hatte vergessen, wie heiß es im Sommer in Auckland sein konnte. Sofort heizte sich das Wageninnere auf, und sie musste das Fenster herunterdrehen. Das bedeutete, warme, feuchte Luft und Abgase einzuatmen. Tansy warf Leo einen gereizten Blick zu und wurde erst richtig wütend, als sie erkannte, dass Leo die Hitze anscheinend nichts ausmachte.
Noch schlimmer war, dass sie ihn seit der vergangenen Nacht nicht mehr ansehen konnte, ohne daran zu denken, was sie in seinen Armen empfunden hatte. So ungern sie es zugab, sie begehrte Leo, und es schmerzte, dass ausgerechnet er, der durch seine Worte und Taten gezeigt hatte, wie wenig er von ihr hielt, solche Gefühle in ihr weckte.
Tansy schaute wieder aus dem Fenster, diesmal, ohne ihr Interesse nur vorzutäuschen. In den vier Jahren, die sie nicht mehr hier gewesen war, hatte sich vieles verändert. Die Vororte entlang der Autobahn erstreckten sich jetzt fast bis an die Bombay Hills, aber Bananenpalmen und Hibisken in jedem Garten verliehen den Wohngebieten trotz des dichten Verkehrs ein heiteres, subtropisches Aussehen.
„Ihre Eltern wohnen in Henderson, stimmt’s?“, fragte Leo und riss Tansy aus ihren Gedanken.
„Ja. Ich war eine Westie.“ Sie lächelte zynisch über diese abfällige Bezeichnung für ein Mädchen aus den westlichen Stadtteilen Aucklands, die als hässliche, kulturlose Wohngebiete mit seelenlosen Häusern galten.
Leo zuckte die Schultern.„Der Westen hat viele Vorteile. Die Waitakereberge sind ganz in der Nähe, die Weinberge und Kellereien haben ihren eigenen Reiz, und an der Westküste sind einige der schönsten schwarzen Strände der Welt.“
„Das wusste nicht einmal ich“, sagte Tansy trocken. „Wir sind nicht oft an den Strand gefahren – meine Mutter hasste es, wenn wir Sand ins Haus trugen. Wenn wir aber fuhren, dann an die Ostküste. Meine Mutter hielt die Strände an der Westküste für zu gefährlich.“
„Sie sollten sie sich ansehen. Dort ertrinken jedes Jahr Menschen, Idioten, die die Tasmansee zu leicht nehmen, aber die Strände sind urwüchsig und wunderschön. Ich glaube, sie würden Ihnen gefallen.“
Tansy fühlte sich unbehaglich. Wenn Leo bestimmte Plätze liebte, wollte sie es nicht wissen. Seine raue Stimme brachte sie auf dumme Gedanken. So fragte sie sich, wie er wohl sagen würde „Du bist wunderschön“ oder „Ich begehre dich“ oder sogar „Ich liebe dich“.
Und das war sehr viel gefährlicher als jeder Westküsten-strand.
„Könnte schon sein“, erwiderte sie ausdruckslos.
Sie wusste, dass die Dacres in Remuera wohnten, dem Vorort der Reichen, deshalb dachte sie, Leo würde die Autobahn bei Greenlane verlassen, doch er fuhr weiter, durch Auckland und dann weiter Richtung Norden.
Tansy bekam wieder Angst. „Wohin fahren wir?“
„Zu unserem Ferienhaus“, antwortete Leo gelassen.
Natürlich. Er würde sie nicht irgendwo hinbringen, wo sie einfach auf die Straße laufen und einen Bus zum nächsten Polizeirevier nehmen konnte. „Wo ist das?“
„Nur ein Stück die Küste hoch. Ich glaube zwar nicht, dass Sie es tun werden, trotzdem, nur für alle Fälle …Versuchen Sie nicht, Grace davon zu überzeugen, dass ich Sie entführt habe.“
Seltsamerweise hatte Tansy nicht vorgehabt, eine kranke Frau damit zu belästigen. „Und warum glauben Sie,
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