Romana Exklusiv 0187
durcheinander? Wenn sie alles über ihn wusste, was es zu wissen gab, warum hatte sie dann das Gefühl, als würde es noch viele unbeantwortete Fragen geben?
5. KAPITEL
Auf dem Schreibtisch des Standesbeamten stand eine Schale mit Blumen. Ihr schwerer, süßer Duft bereitete Helen Übelkeit.
Als sie die Hand hob, um sich die Schweißperlen von der Oberlippe zu wischen, berührte sie den steifen Schleier ihres Hutes. Sie ließ die Hand sinken und krallte die Finger in den feinen cremefarbenen Wollstoff ihres Kostüms.
Helen hatte gedacht, dass sie das alles durchstehen würde, dass Hass und das Verlangen nach Rache genügen würden, doch jetzt war sie sich nicht mehr so sicher. Beging sie nicht den größten Fehler ihres Lebens, indem sie Jacob heiratete?
Von plötzlicher Panik ergriffen, wandte sie sich ab. Dann spürte sie, wie Jacob ihre Hand nahm.
„Alles in Ordnung, Helen?“, flüsterte er, während der Standesbeamte in monotonem Tonfall mit der Trauungszeremonie fortfuhr, ohne von den unterschwelligen Spannungen etwas zu bemerken.
Helen atmete tief durch und blickte forschend in Jacobs Gesicht. Fühlte er sich auch so unbehaglich wie sie? Aber sie fand nicht die Spur von Unsicherheit oder Zweifel in seinen markanten Zügen. Jacob hatte seine Pläne gemacht und einen nach dem anderen verwirklicht. Jetzt musste sie genauso entschlossen sein wie er und ihn für alles, was er getan hatte, bezahlen lassen.
In diesem Augenblick fragte der Standesbeamte sie, ob sie Jacob zum Mann nehmen wolle. Sie antwortete mit fester Stimme und schaute Jacob in die Augen, damit er den Hass und die Verachtung sehen konnte, die sie für ihn empfand. Doch als die Reihe an ihm war, das Ehegelübde zu sprechen, klang es, als meinte er seine Worte ernst.
Helen erschauerte, und ihr Pulsschlag beschleunigte sich unter dem Druck seiner Finger. Ihr war bewusst, dass Jacob es bemerkte, und wollte ihm ihre Hand entziehen. Doch damit hätte sie sich erst recht verraten. Sie durfte ihn niemals glauben lassen, dass sie körperlich auf ihn reagierte.
Nun erlaubte der Standesbeamte ihm, die Braut zu küssen. Helen wappnete sich gegen den Kuss, doch Jacob berührte ihren Mund nur leicht, bevor er sich lächelnd zu den Leuten umdrehte, die zu der Trauungszeremonie eingeladen waren.
Außer ihrem Vater hatte Helen niemand dabeihaben wollen, und da Jacob sie beim Wort genommen hatte, kannte sie keinen der anderen Gäste. Eine Frau Ende fünfzig kam ihr jedoch bekannt vor. Helen beobachtete, wie sie lächelnd auf Jacob zuging, ihn umarmte und küsste und sich dann an sie wandte.
„Sie erinnern sich wohl nicht mehr an mich, oder, meine Liebe?“ Helen schüttelte den Kopf, und die Frau klopfte ihr lachend auf den Arm. „Das habe ich mir fast gedacht. Ich bin Jacobs Mutter.“
Überrascht betrachtete Helen die elegante Dame, bemüht, sie mit dem Bild in Einklang zu bringen, das sie von Jacobs Mutter im Gedächtnis hatte.
Margaret Hunt hatte sehr zurückgezogen gelebt, als sie noch im Dorf gewohnt hatte. Soweit Helen sich erinnern konnte, hatte sie sie nur einmal gesehen, in einem einfachen Kleid von der Stange. Jetzt trug Margaret Hunt ein Designermodell, und mit dem dunklen, von silbergrauen Strähnen durchzogenen Haar, das sie im Nacken zu einem eleganten Knoten geschlungen hatte, sah sie so völlig anders aus als damals, dass Helen ihr Erstaunen kaum verbergen konnte.
Das schien Jacobs Mutter nicht im Geringsten zu beunruhigen. „Ich weiß, ich ähnele nur noch wenig der Frau, an die Sie sich erinnern. Das liegt vor allem an all den schönen Kleidern, die Jacob mir förmlich aufdrängt.“ Stolz und liebevoll schaute sie ihren Sohn aus blauen Augen an, die Jacobs so sehr glichen.
„Ich wollte Ihnen nur alles erdenkliche Glück wünschen“, fuhr sie an Helen gewandt fort. „Ich hätte nie gedacht, dass sich Jacobs größter Wunsch einmal erfüllen würde. Als er mich angerufen und erzählt hat, Sie wollten ihn heiraten, war ich ganz außer mir vor Freude.“
Sie beugte sich vor und küsste Helen auf die Wange. „Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, was für ein wundervoller Ehemann er Ihnen sein wird. Sie kennen bestimmt alle seine guten Seiten.“
Eine brennende Röte stieg Helen ins Gesicht. Ihr Mund fühlte sich auf einmal so trocken an, dass sie nur einige unverständliche Worte herausbrachte. Margaret Hunt schien jedoch nicht auf eine Antwort zu warten. Nachdem sie gegangen war, um sich mit einem der anderen Gäste zu
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