Romana Exklusiv 0224
anzurufen und ihm zu sagen, dass es ihr gut ginge. Sie war zwar wütend auf ihn, wollte aber nicht, dass er sich unnötig um sie sorgte.
Ihr war klar, dass sie Caroline mit ihrem Verhalten in eine unangenehme Lage brachte, da sie sie als eine Art Prellbock benutzte. Doch sie wusste sich momentan nicht anders zu helfen und war froh, dass die Freundin mitspielte.
Neugierig blickte Rachel sich immer wieder um, denn so weit wie heute war sie noch nicht geschlendert. Was für ein wunderschönes Fleckchen Erde! Es war wieder ein warmer Abend, und in der Luft lag der süße Duft der üppig blühenden Natur. Plötzlich bemerkte sie weiter vor sich eine halbhohe Mauer. Die flachen Steine waren so geschickt an- und aufeinandergelegt, dass sie ohne Mörtel hielten. Sie sah alt aus, aber sehr solide.
Rachel setzte sich darauf und ließ die Beine auf der anderen Seite baumeln, wo das Gelände abschüssig war. Und während die Dämmerung weiter hereinbrach, genoss sie die herrliche Aussicht auf die Olivenhaine, das Dorf und das Meer.
Nach und nach gingen die Lichter in den Häusern an. Vermutlich essen dort jetzt die Familien zusammen, lachen miteinander und erzählen sich von ihrem Tag, dachte sie wehmütig, denn sie hatte dies eigentlich nie erlebt. Selbst als sie noch klein gewesen war, war ihr Dad höchst selten abends zum Essen zu Hause gewesen. Seine Geschäfte hatten ihn völlig beansprucht. Entweder war er bis tief in die Nacht im Büro gewesen, oder er hatte sich um Kunden gekümmert. Als sie dann alt genug gewesen war, hatte sie ihn zu vielen dieser Termine begleitet. Doch hatten sie beide nie etwas zusammen unternommen, wo sie einfach nur Spaß gehabt hatten. Sie konnte sich an kein einziges Mal erinnern, an dem sie gemeinsam unterwegs gewesen waren und es nicht ums Geschäft gegangen war. Finanziell hatte sich dieses Engagement gelohnt. Ihr Vater war ein reicher Mann. Aber welch hohen Preis hatte er dafür gezahlt?
„Ich habe mich gefragt, wo Sie sind“, riss Luis sie aus ihren Gedanken.
„Es ist so ruhig und friedlich hier.“
„Während der Fiesta ist der Blick noch viel schöner. Die Häuser und Straßen sind mit Lichterketten geschmückt. Und wenn das Feuerwerk abbrennt …“
„Verfolgen Sie es von hier oben?“
„Ja, früher.“ Er schwieg, und Rachel vermutete, dass er an vergangene Zeiten dachte.
„Aber nächste Woche sehen wir es vom Dorf aus, oder?“
„Es sei denn, wir können verschwinden, bevor es anfängt.“ Luis lehnte sich gegen die Mauer.
Rachel betrachtete ihn, konnte in der zunehmenden Dunkelheit allerdings nicht mehr viel erkennen. Er war wieder in Schwarz gekleidet. Unwillkürlich überlegte sie, ob er es tat, weil er noch trauerte oder ihm die Farbe gefiel.
„Erzählen Sie mir von Rachel Goodson.“
Sofort wurde sie argwöhnisch. Eigentlich hatte sie gemeint, dass ihm die Antworten genügt hätten, die sie ihm bereits gegeben hatte. „Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich bin in Kalifornien aufgewachsen und nach Spanien gekommen.“
„Wo Sie jetzt ohne Erlaubnis arbeiten. Richtig?“
„Ja. Allerdings sehe ich keinen Grund, warum ich sie nicht grundsätzlich erhalten sollte. Ich habe sie nur nicht beantragt.“
„Weil Sie vorhatten, hier lediglich Urlaub zu machen?“
„Und ich mich dann in das Land verliebt habe und solange wie möglich bleiben möchte.“
Luis schwieg einen Moment. „Warum habe ich das Gefühl, dass das nicht alles ist?“
Weil es stimmt und Sie sehr scharfsinnig sind, dachte Rachel, wagte aber nicht, es auszusprechen. Männer hielten zusammen. Wahrscheinlich würde er darauf bestehen, dass sie ihren Dad anrief, oder es selbst machen. Auch konnte sie nicht einschätzen, wie er es beurteilen würde, dass ihr Vater sie aus unternehmerischen Erwägungen heraus verheiraten wollte. Im spanischen Adel war es früher oft so gewesen, dass eine Ehe geschlossen wurde, um zu Wohlstand, Grundbesitz und Macht zu gelangen.
„Vielleicht wittern Sie Geheimnisse, wo keine sind“, antwortete sie. „Wie kommen Sie auf Ihre Geschichten?“
„Ich bringe niemanden um, um ihnen Echtheit zu verleihen.“
Rachel lachte. „Das habe ich auch nicht angenommen. Warum sollte ich?“
„Sie wären nicht die Erste.“
„Das ist nicht Ihr Ernst!“
„Doch. Es war ein Amerikaner während einer der Signierstunden, die ich auf Drängen meines Verlegers hin absolviert habe. Wahrscheinlich konnte der Mann sich nicht vorstellen, wie es mir sonst gelingen sollte, so
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