Romana Exklusiv 0225
Neuseeländer sind nicht die unsympathischsten Menschen. Manche von uns sind sogar richtig nett.“
Nun lächelte auch Ben. Seine Tränen waren getrocknet, und der Blick aus seinen dunklen Augen verriet, dass er Sarahs Appell richtig verstand. Er legte ihr eine Hand an die Wange.
„Bestimmt ist niemand sonst dort so wie du, Sarah Mitchell.“ Er beugte den Kopf und berührte mit dem Mund zart ihre Lippen. Es war ein sanfter Kuss, der nicht darauf abzielte, ein Feuer zu entfachen. „Bist du inzwischen nicht zu erschöpft, um dieses Gespräch fortzusetzen?“
„Nein, überhaupt nicht.“ Sarah hätte sich die ganze Nacht mit Ben unterhalten können. Und länger – so lange, bis sie beide sich gegenseitig richtig verstanden. Sie war weit gereist, um herauszufinden, was sie wirklich für Ben Dawson empfand, und nun war sie sich ohne jeden Zweifel sicher. Aber das reichte natürlich nicht – sie musste auch klären, was er für sie empfand.
„Dann setzen wir uns am besten wieder.“ Sie nahmen auf der Gartenbank Platz. Viel dichter nebeneinander dieses Mal, denn nun legte Ben den Arm um ihre Schultern, zog Sarah näher zu sich und hielt sie fest.
„Noch eine Äußerung von dir ging mir durch den Kopf“, hob Ben an. „Du sagtest, dem Sinne nach, du wüsstest gut, wie es ist, anders zu sein.“ Ben wandte sich ihr zu, und sie begegnete seinem fragenden Blick. „Dass du es bist, war mir von Anfang an klar. Aber dein Anderssein besteht nicht in einer körperlichen Entstellung.“
Sein Blick verriet eine Spur von dem, was Sarah schon am Abend zuvor aufgefallen war, bevor er sie geküsst hatte. Eine vielversprechende, nur mit Mühe in Schranken gehaltene Sehnsucht. „Ich habe dich im Bikini gesehen, weißt du noch? Du hast einen wunderschönen, zauberhaften Körper, Sarah.“
„Danke.“ Sarah neigte den Kopf. Jener Moment, als Ben am Strand aufgetaucht war, erschien ihr nun wie zu einem anderen Leben gehörig.
„Was war, bevor du ein Pflegekind wurdest …?“ Ben umschloss ihr Kinn, hob sanft ihren Kopf hoch und sah ihr in die Augen. „Wurdest du misshandelt, bevor du in Toris Familie kamst?“
„Ich erfuhr zu Hause keine Wärme, fühlte mich als Kind nie gewollt oder angenommen. Mein Vater schlug mich oft. Wohl deshalb konnte ich keinem Mann wirklich vertrauen. Bis heute bin ich argwöhnisch, ob ein Mann mich wirklich mag.“
Ben sah sie mit feierlichem Ernst an. „ Ich bin dir sehr zugetan, Sarah. Das weißt du auch, nicht wahr?“
Sarah schluckte. Sein Geständnis war wie ein Geschenk, fast zu kostbar, um es anzunehmen. Beinahe automatisch sprach sie weiter, wobei sie sich fragte, ob Ben seine letzten Worte wirklich ernst gemeint hatte.
„Bei den Prestons ging es mir bald besser. Tori war noch ein Baby, ihr Vater gerade verstorben. Seither nahm Carol Pflegekinder mit körperlichen oder emotionalen Beeinträchtigungen auf.“
„Und durch das Leben mit ihnen hast du über Jahre gelernt, Menschen mit physischen und emotionalen Problemen zu verstehen.“
Sarah nickte, von Bens Verständnis ermutigt. „Es waren befreiende und kostbare Einsichten fürs Leben, die ich weitergeben möchte. Du hast recht, Ben. Ich engagiere mich tatsächlich besonders gern für benachteiligte Kinder. Ich habe sogar …“
„Was?“
Sarah lächelte verlegen. Aber sie beide tauschten hier doch Geheimnisse aus, oder? Und kamen sich dadurch so viel näher!
„Mich erkundigt … nach den Bedingungen, Pflegemutter zu werden – so wie Carol. Was mich zu diesem Schritt bewog, war übrigens meine erste Begegnung mit Phoebe.“ Sarah hielt Bens erstauntem Blick stand. „Nicht von ungefähr ist sie deine Tochter.“
„Wieso?“
„Weil ich auch sie genauso wenig wie dich vergessen konnte.“
Sie sahen einander lange an. Schließlich räusperte Ben sich.
„Ist das dein Plan für die nächste Zukunft? Pflegemutter zu werden?“
„Nein. Das zuständige Amt hat mich abgelehnt.“
„Warum? Du wärst eine gute Mutter, Sarah. Selbst ich sehe das.“
„Ich bin zu jung. Und alleinstehend. Von daher nicht geeignet.“ Sarah zuckte die Achseln. „Jedenfalls wollen sie mich nicht.“
„Gut so.“
„Gut?“
„Ja.“ Ben erhob sich und zog Sarah von der Bank hoch. „Sehr gut sogar.“
„Wieso?“
„Weil ich dich will.“ Ben klang genauso ernst wie beim ersten Mal, als er ihr dieses Geständnis gemacht hatte, doch nun war noch eine ängstlich gespannte Erwartungshaltung aus seiner Stimme herauszuhören.
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