ROMANA EXKLUSIV Band 0173
zurückhabe und mich wieder erinnere, was zwischen uns nicht stimmt – trotz all deiner Beteuerungen bin ich überzeugt, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist –, werde ich dich auf Distanz halten.“
„Du spielst deine Rolle sehr gut, Anna“, erwiderte er geheimnisvoll. „Aber irgendwann wirst du dich verraten. Und wenn es so weit ist, werde ich die Wahrheit aus dir herausbekommen.“
Sie fröstelte. „Warum klingt das wie eine Drohung?“
„Weil es eine ist“, erklärte er mit verblüffender Offenheit. „Doch inzwischen müssen wir uns noch um ein Detail kümmern.“ Er holte ein kleines Schmucketui aus der Hosentasche und klappte es auf. „Deine Eheringe.“
Sie erbleichte, als sie auf die beiden Ringe schaute, die in einem weißen Samtkissen steckten. Der eine war ein schlichter Trauring aus Platin, der andere ein großer Solitär in einer wunderschönen altmodischen Fassung. Der makellose Diamant fing die Sonnenstrahlen ein und reflektierte sie in allen Farben des Regenbogens. Die Zeit schien stillzustehen. Anna hatte eine Vision von diesen beiden Ringen, wie sie durch die Luft flogen. Nur das Licht, das sich in dem kostbaren Stein brach, war anders – härter, kälter.
„Anna?“
Es kostete sie große Überwindung, sich von dem geradezu hypnotischen Funkeln loszureißen und in die Wirklichkeit zurückzukehren. „Woher …“ Sie räusperte sich. „Woher hast du sie?“
„Ich habe sie dir gegeben. An unserem Hochzeitstag.“ Sebastian betrachtete sie prüfend. „Erinnerst du dich an sie? Bedeuten sie dir etwas?“
Abwehrend wollte sie vor ihm zurückweichen. „Bitte, behalte sie. Ich werde sie tragen, wenn wir auf deiner Insel sind.“
„Oh nein, meine Süße.“ Er ergriff ihre Hand. Dann nahm er die Ringe aus der Schachtel und steckte sie ihr auf den Finger. Sie passten perfekt. „Und dort bleiben sie, hast du mich verstanden?“ Offenbar hatte er geahnt, dass sie sie abnehmen würde, sobald er von Bord war.
„Warum?“ Anna riss sich von ihm los. „Was für einen Unterschied macht das schon? Entweder sind wir verheiratet oder nicht.“ Voller Unbehagen blickte sie auf ihre Hand. „Die Ringe ändern nichts daran.“
„Im Krankenhaus hast du gesagt, du könntest nicht verheiratet sein, weil du keine Ringe trägst und nicht einmal ein Abdruck auf deiner Haut darauf hinweise. Nun, jetzt stecken diese Ringe an deinem Finger. Und bei Gott, du wirst einen Abdruck auf deiner Haut haben, wenn du Rochefort erreichst.“
Trotzig reckte sie das Kinn. „Und wenn nicht?“
„Du wirst“, beharrte er eindringlich. „Ich hoffe, wir haben uns verstanden.“
Ohne ihre Antwort abzuwarten, wandte er sich um und ging. Er ging und ließ Anna mit den Ringen zurück, die wie eine Zentnerlast an ihrer Hand hingen.
Anna beschloss, Sebastian nichts von den Albträumen zu sagen.
Sie hatten in der ersten Nacht auf See begonnen. Flüchtige Szenen des Unfalls, die sich wie in Zeitlupe endlos wiederholten. Schlafen wurde eine Qual, die sie zu vermeiden suchte, und schon bald zeigte ein Blick in den Spiegel die Auswirkungen der rastlosen Stunden. Sie hatte noch mehr Gewicht verloren, dunkle Schatten lagen unter ihren Augen, und trotz der inzwischen erworbenen Sonnenbräune wirkte sie blass und krank.
Nur wenn sie auf dem Sonnendeck eindöste, konnte sie den entsetzlichen Visionen entrinnen. In der feuchtwarmen tropischen Brise konnte sie ohne Furcht schlafen und von Sebastian träumen – seiner tiefen, verführerischen Stimme, seinen leidenschaftlichen Küssen und seinen starken Armen, mit denen er sie an seine Brust presste. Jedes Mal wenn sie von ihm geträumt hatte, erwachte sie mit seinem Namen auf den Lippen und wurde von einer sonderbaren Unruhe geplagt, die Stunden anhielt.
Die Tage verstrichen, und Sebastian wurde noch immer von seinen Geschäften aufgehalten. Anna war darüber erleichtert und enttäuscht zugleich. Erleichtert, weil sie so den dauernden Streitigkeiten entging, und enttäuscht, weil sie nicht länger auf seine Kraft und Unterstützung zählen konnte. Außerdem flüsterte ihr eine verräterische kleine Stimme zu, dass sie vielleicht nicht unter diesen furchtbaren Albträumen zu leiden hätte, wenn er das große Bett mit ihr teilen würde. Vielleicht hätte seine Nähe das Grauen vertrieben.
Aber ohne ihn kehrten die Schreckensbilder mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks zurück.
Die folgenden vier Tage kamen und gingen. Der strahlende Sonnenschein und der tiefblaue
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