ROMANA EXKLUSIV Band 0178
haben Sie recht, Miss Wilson“, entgegnete er seidenweich. „Aber ob ich verstehe oder nicht – Sie werden jetzt endlich einmal das tun, was Ihnen gesagt wird. Sie haben bereits bewiesen, dass man Sie nicht allein herumlaufen lassen kann. Sie können in Ihrem Hotel anrufen und Ihre Situation erklären. Und dann wird mein Chauffeur Sie dorthin bringen, wohin Sie wollen.“
„Ihr Chauffeur?“, fragte sie schwach. Er antwortete nicht. Sie lehnte sich hilflos in dem weichen Ledersitz zurück. Wenn sie ihm erzählte, dass sie kein Hotel, kein Beförderungsmittel und kein Geld hatte, sondern nur die paar Kleidungsstücke zum Wechseln aus ihrem Rucksack, würde das die schlechte Meinung bestätigen, die er von ihr hatte. Irgendwie musste sie die Sache durchstehen. Eine andere Wahl hatte sie nicht. Aber wo sollte sie heute Nacht schlafen? Und wie schnell würde sie zurückfahren können, um ihr Fahrrad zu holen?
Laura war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie kaum auf die Umgebung geachtet hatte. Jetzt sah sie, dass das steinige Land zu beiden Seiten der staubigen Straße grüner wurde. Wo genau waren sie? Vor mehreren Tagen hatte sie Extremadura, einen Landstrich südöstlich von Madrid, verlassen, nachdem sie sich dort eine Woche aufgehalten hatte. Aber da sie zuvor bereits wochenlang historische Städte und prächtige Paläste, Burgruinen, Kirchen und Denkmäler besichtigt hatte, beherrschte sie das Verlangen nach Frieden und Ruhe, um neue Kraft zu tanken. Ein Tourist hatte den Coto-Doñana-Nationalpark erwähnt. Sie hatte beschlossen, dorthin zu fahren. Im Nachhinein betrachtet, war das eine unkluge Entscheidung gewesen!
Der Wagen wurde langsamer und bog auf eine schmale Nebenstraße ab, die durch einen würzig duftenden Kiefernwald führte. Sie warf dem Mann, der stumm neben ihr saß, wieder einen Blick zu. „Wir sind gleich da“, sagte er ruhig. „Ich habe Medikamente, die den schlimmsten Schmerz lindern werden.“
„Schon gut“, sagte sie rasch. „Es geht mir wirklich gut.“ Voller Sorge schaute sie auf ihren geschwollenen Knöchel. Wenn er nun gebrochen war? Was sollte sie tun? Irgendwie musste sie einen britischen Konsul finden, Verbindung mit Tom in England aufnehmen … oh, so ein Mist! Und dabei hatten die Dinge sich gerade zu bessern begonnen. In den letzten Nächten hatte sie wieder schlafen können, ohne an Sancho und Janie denken zu müssen …
Sie fuhren durch ein riesiges Tor, das in eine hohe Mauer eingelassen war. Der Wagen rollte knirschend über einen Weg zwischen makellos gepflegten Gartenanlagen voller Blumen und Sträucher, der in der Ferne von Orangen-, Zitronen- und Feigenbäumen gesäumt war. Sie spürte Hitze in sich aufsteigen, als sie das palastähnliche Landhaus sah. Das war doch nicht etwa sein Zuhause?
„Ist dies …“ Sie leckte ihre trockenen Lippen. „Ist dies Ihr Haus?“
„Sí.“ Sie hatten das Haus jetzt erreicht. Die noch immer heiße Abendsonne warf die Schatten mächtiger Eichen und Zedern auf das Mauerwerk. Das in maurischem Stil erbaute Gebäude war riesig und erstreckte sich scheinbar endlos in seiner Schönheit mit dekorativem eisernem Gitterwerk und winzigen kunstvollen Türmchen. Dunkelgrünes Weinlaub rankte an den Wänden empor. Das Haus war wunderschön, beinahe unwirklich und passte perfekt zu diesem Mann.
„Sitzen Sie still, Miss Wilson.“ Seine Stimme klang angespannt. Er war aus dem Auto gestiegen, an ihre Tür getreten und hob sie hoch, obwohl sie protestierte und erklärte, laufen zu können. „Seien Sie bitte nicht albern.“ Er schaute sie an, während er sie über die breiten Steinstufen zu der wundervoll gearbeiteten Tür hochtrug. Dabei sah sie, dass seine Augen nicht schwarz, sondern dunkelbraun waren. Sie hatte immer geglaubt, braune Augen seien weich und bittend. Diese aber waren anders: hart wie funkelnder Stahl und auffallend wachsam.
Als sie die oberste Stufe erreichten, wurde die Tür geöffnet. Zwei Hausangestellte erschienen aufgeregt im Eingang. Dann rief eine rasiermesserscharfe Stimme hinter ihnen sie zur Ordnung. „Señor de Vega.“ Ein großer, imposanter Mann schob die Frauen beiseite und eilte dann zu Francisco, um Laura aus dessen Armen zu nehmen. Francisco indes gab nur ein paar knappe Anweisungen auf Spanisch und trug Laura in ein Zimmer, das an die riesige marmorne Halle angrenzte. Noch nie in ihrem Leben hatte Laura so viel Marmor gesehen – die Böden, die Wände und die prächtige geschwungene Treppe
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