ROMANA EXKLUSIV BAND 231
ihm zu und sah ihn ausdruckslos an. „Ach ja?“
„Ja, also … weißt du …“ Er geriet ins Stocken, als hätte er Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden. „Sie heißt Sadie. Manche nennen sie Big Sadie. Jedenfalls kam sie schon zu meinen Eltern ins Haus, bevor ich geboren wurde, und jetzt meint sie, sie hätte das Sagen. Ich habe mir wohl nie die Mühe gemacht, ihr das auszureden.“
Joelle zuckte die Schultern. „Und was genau willst du mir damit zu verstehen geben?“
„Na ja, es ist nicht immer leicht, mit ihr auszukommen. Sie ist gebieterisch, wenn du weißt, was ich meine. Sie spielt sich manchmal als Haustyrannin auf, aber sie hat, wie man so schön sagt, ein Herz aus Gold.“
„So ein Glück“, bemerkte Joelle sarkastisch. „Andernfalls hätte ich sie womöglich für perfekt gehalten.“
Gabriel lächelte.
Ihr war absolut nicht nach Lachen zumute. Eine schwierig zu behandelnde Haushälterin war das Letzte, was sie brauchte! Und wenn Sadie entdeckt, dass ich noch nie auf einer Farm war, wird sie von mir bestimmt hingerissen sein, dachte Joelle ironisch.
Sie sah wieder durchs Fenster und runzelte die Stirn. „Ich hoffe, sie erwartet jetzt kein typisches Heimchen am Herd.“
„Offen gestanden: Sie erwartet dich überhaupt nicht.“
Rasch wandte Joelle sich Gabriel zu und funkelte ihn an. „Willst du damit sagen, du hast sie nicht angerufen und ihr mitgeteilt, dass ich dich begleite?“
„Richtig.“
„Sie weiß überhaupt noch nichts von mir, oder?“
Er zuckte die Schultern. „Nur dass du vor etwa einem Monat bei uns angerufen hast.“
„Na toll! Sie wird echt begeistert sein, wenn sie mich so unverhofft sieht“, meinte Joelle spöttisch, und plötzlich zuckte ihr ein Gedanke durch den Kopf. „Dann weiß sie ja auch nichts von dem Baby.“
Gabriel vermied es, sie anzusehen. „Stimmt. Das weiß Sadie noch nicht.“
„Ich kann es einfach nicht fassen! Du wirst mich also in dein Haus führen und der Haushälterin als deine Ehefrau vorstellen, die dein Baby erwartet.“
Er zögerte kurz, bevor er antwortete: „Ja, genau das werde ich tun.“ Als Joelle ihn ungläubig ansah, fügte er hinzu: „Und damit du weißt, was dich in den nächsten Tagen außerdem erwartet, noch Folgendes: Sobald du dich ein bisschen eingelebt hast, werden wir nach amerikanischem Recht heiraten. Ich möchte unbedingt vermeiden, dass es Schwierigkeiten mit der Legitimität meines Kindes gibt.“
„Natürlich möchtest du das“, erwiderte sie gereizt. „Darum geht es dir doch überhaupt nur.“
„Richtig. Ich wusste ja, dass du dich irgendwann zu meiner Sicht der Angelegenheit durchringst.“
„Ich kann mich nicht erinnern, dass man mir eine Wahl gelassen hätte“, bemerkte Joelle.
Gabriel neigte sich zu ihr und flüsterte ihr ins Ohr: „Vergiss nicht, Ames, wir hatten die Wahl in Acapulco. Und wir haben uns dafür entschieden, miteinander ins Bett zu gehen.“
Sie errötete heftig. „Ach ja. Wie konnte ich das bloß vergessen.“
„Das sage ich ja.“
Sie wandte sich ihm zu und entdeckte, dass sein Mund ihrem ganz nahe war. Ihr stockte beinah der Atem, und rasch drehte sie den Kopf weg.
Meine Güte, wenn ich die kommenden Jahre überstehen will, muss das Thema Mexiko ein Tabu bleiben, dachte Joelle. Die geringste Anspielung darauf genügte, um in ihr gewisse Erinnerungen an das Zusammensein mit Gabriel zu wecken. Die wollte sie jedoch für immer aus dem Gedächtnis streichen. Was sollten wundervolle Erinnerungen, wenn ihr ein ödes Eheleben bevorstand?
6. KAPITEL
Joelle fühlte sich völlig fehl am Platz, während sie durchs Fenster von Gabriels rotem Pritschenwagen auf die vorüberziehende Landschaft blickte. Die Dämmerung senkte sich übers Land, und die flachen Marschen mit den moosbewachsenen Zypressen rechts und links des Highways wirkten beinah gespenstisch fremdartig. Diese flache Gegend mit den trüben Wasserflächen und einer unheimlichen Pflanzenwelt war so ganz anders als die Sandstrände Kaliforniens. Wenn sie nur den Funken einer Chance gehabt hätte, hätte Joelle auf der Stelle kehrtgemacht und wäre nach Hause zurückgeflogen.
Doch der Wagen fuhr mit gleichmäßig brummendem Motor die Straße entlang, und Joelle sah weiter schweigend durchs Fenster.
Schließlich bog Gabriel vom Highway in eine lange, schmale Zufahrt, die – so weit das Auge reichte – von riesigen, ausladenden Eichen gesäumt war. Die mit dichtem Moos bedeckten Äste streckten sich wie
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