Romana Exklusiv Band 240
atmete tief ein. Wie sie es schaffte, sich zu beherrschen und den Mann nicht zu ohrfeigen, wusste sie selbst nicht. Vor lauter Zorn errötete sie. Wenn Jilly ihn jetzt hören könnte, würde sie ihn bestimmt nicht mehr lieben. Da Milly jedoch befürchtete, sich zu verraten, wenn sie auf seine verächtliche Bemerkung einging, schwieg sie lieber.
Normalerweise hätte sie die Fahrt in dem offenen Sportwagen durch die wunderschöne Landschaft genossen. Die Sonne schien, es war warm, doch Milly betrachtete die vielen Weinberge und die Zypressen, die die Straßen säumten, mit mäßigem Interesse. Sie wurde immer nervöser und gereizter, und als sie schließlich von der Straße abbogen und durch das schmiedeeiserne Tor die Einfahrt entlang auf die beeindruckende Villa zufuhren, hatte sie das Gefühl, die Anspannung nicht mehr ertragen zu können.
Würde es ihr gelingen, den alles entscheidenden Test zu bestehen und sich Signor Saracinos Großmutter gegenüber nicht zu verraten? Zu Hause in England war Milly noch überzeugt gewesen, es sei alles sehr einfach, sie brauche nur Jillys Kleidung zu tragen, und jeder würde sie für ihre Schwester halten. Doch die Begegnung mit seiner Großmutter war sicher das Schwierigste und Riskanteste an der ganzen Sache.
Ich muss gut aufpassen und darf nichts Falsches sagen, ermahnte sie sich, während sie ausstieg, nachdem Signor Saracino mit grimmiger Miene vor der breiten Eingangstür angehalten hatte. Wie aus dem Nichts tauchte ein relativ kleiner Mann neben ihm auf, und er reichte ihm die Autoschlüssel.
„Stefano wird Ihr Gepäck auf Ihr Zimmer tragen“, verkündete Signor Saracino an Milly gewandt. „Warten Sie in der Eingangshalle. Ich will meine Großmutter erst darauf vorbereiten, dass Sie mit mir zurückgekommen sind.“
Statt auf ihn zu warten, werde ich die Gelegenheit nutzen und mich mit der Umgebung vertraut machen, nahm sie sich vor. Sie schwieg jedoch und ging ihm voraus in die mit Marmorfliesen ausgelegte Eingangshalle. Dann blickte sie hinter Signor Saracino her, dessen eleganter hellgrauer Anzug die breiten Schultern, die schmalen Hüften und die langen Beine betonte. Zielstrebig eilte er auf eine der vielen mit Schnitzereien verzierten Holztüren zu. Schließlich atmete Milly tief ein und folgte Stefano die Treppe hinauf. Insgeheim gratulierte sie sich dazu, dass sie es wagte, Signor Saracinos Befehl nicht zu befolgen und zu erkunden, wo sich Jillys Zimmer befand. Sie wollte sich die Peinlichkeit ersparen, später so tun zu müssen, als könnte sie sich nicht mehr erinnern, wie sie in ihr Zimmer gelangte.
Den Weg prägte sie sich genau ein und zählte die Türen, die rechts und links von dem mit Holztäfelung verkleideten Flur abgingen.
Die erste Hürde habe ich genommen, dachte sie, als Stefano die dritte Tür rechts öffnete. Beim Betreten des Raums war sie entzückt. Es war das schönste Zimmer, das sie jemals gesehen hatte. Wände und Decke waren mit hellem Holz verkleidet, ein weicher cremefarbener Teppich bedeckte den Fußboden, und die alten Möbel waren bestimmt sehr wertvoll. Auf dem breiten, sehr bequem wirkenden Himmelbett lag eine rosenholzfarbene Tagesdecke.
Während Stefano Millys Gepäck auf die Truhe stellte, fragte er: „Benutzen Sie nicht die schöne Reisetasche, die die Signora für Sie gekauft hat?“ Dabei wandte er den Blick nicht von dem alten Koffer ab, in den sie Jillys elegante Outfits gepackt hatte.
Milly zauberte ein Lächeln auf die Lippen. „Ich wollte die Reisetasche noch schonen, sie ist eigentlich zu schade, um sie zu benutzen“, improvisierte sie.
Stefanos Miene hellte sich auf, und Milly gratulierte sich insgeheim. Bis jetzt machte sie offenbar alles richtig. Doch wenige Sekunden später verschwand ihre Zuversicht. Nachdem der Mann den Raum verlassen hatte, betrachtete sie sich in dem großen Spiegel. Dass Signor Saracino auf die Täuschung hereingefallen war, war kaum zu glauben. Es stimmte, sie und Jilly sahen sich auf den ersten Blick zum Verwechseln ähnlich. Wenn man aber genauer hinsah, bemerkte man die Unterschiede. Während Jilly selbstbewusst und forsch auftrat, wirkte Milly zurückhaltend und etwas unsicher.
Rasch straffte sie die Schultern und strich sich einige Haarsträhnen aus der Stirn. Im Gegensatz zu Jilly benutzte sie kein Augen-Make-up, und sie hatte im Zimmer ihrer Schwester auch keinerlei Make-up finden können. Deshalb hatte sie sich mit dem eigenen rosafarbenen Lippenstift, den sie nur selten
Weitere Kostenlose Bücher