Romana Exklusiv Band 240
auftrug, begnügen müssen. Jilly hingegen schminkte die Lippen immer grellrot, tuschte die Wimpern und trug Lidschatten auf.
Es war kein Wunder, dass Signor Saracino von Verkleidung und dezenterer Aufmachung geredet hatte.
Ich muss mich mehr anstrengen, mich so bewegen wie meine Schwester, so reden wie sie und mich so benehmen wie sie, ermahnte Milly sich. Wenn sie es nicht tat, würde es früher oder später jemandem auffallen, dass etwas nicht stimmte. Bei dem Gedanken wurde Milly ganz nervös, und sie ging langsam in die riesige Eingangshalle zurück.
Dort wartete Signor Saracino schon auf sie. „Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollten hier warten“, fuhr er sie an.
Egal wie Jilly auf diesen schrecklichen Kerl reagiert hatte, Milly war nicht bereit, sich von ihm behandeln zu lassen, als wäre sie ein kleines Dummchen. „Ja, da haben Sie recht“, stimmte sie ihm betont nachsichtig zu und fügte mit ernster Miene hinzu: „Ich musste leider kurz das Badezimmer benutzen. Jetzt möchte ich mich bei Großmutter entschuldigen.“
„Für Sie ist sie nicht einfach nur ‚Großmutter‘, sondern immer noch Signora Saracino. Wenn Sie mit ihr allein sind, können Sie sie weiterhin mit Filomena anreden!“ Er verzog verächtlich die Lippen, während er Milly unsanft am Arm packte und sie in das luxuriös möblierte Wohnzimmer zog. Dass er ihr mit der Zurechtweisung sehr geholfen hatte, ahnte er nicht.
Die Türen zur Veranda standen weit offen und ließen die warme Frühlingsluft hinein. Milly beachtete die großartige Umgebung jedoch kaum und konzentrierte sich auf die ältere Dame, die in einem Sessel saß. Sie wirkte sehr zerbrechlich und strahlte übers ganze Gesicht.
„Jilly, du dummes Mädchen!“, rief sie erfreut aus und streckte die Hände aus. „Wie konntest du einfach verschwinden, ohne mir etwas zu sagen? Komm her, lass dich ansehen.“
Milly glaubte, Signor Saracinos Blick im Rücken zu spüren, und sie fühlte sich sehr unbehaglich, während sie auf seine Großmutter zuging. Wenn ich jetzt den kleinsten Fehler mache, fliegt der ganze Schwindel auf, und Filomena Saracino entlarvt mich als Betrügerin, schoss es ihr durch den Kopf.
Dann nahm die ältere Dame ihre Hände und begrüßte Milly so herzlich und liebevoll, dass sie hätte weinen können. Die Zuneigung galt nicht ihr, sondern ihrer Schwester. Jilly, diese strahlende junge Frau, brauchte nur ihren Charme spielen zu lassen, und schon flogen ihr alle Herzen zu.
„Du hast dein Haar abschneiden lassen. Warum, mein Kind?“
Milly errötete prompt, und das war etwas, was ihrer Schwester nie passierte. Milly widerstrebte es, diese freundliche und liebenswerte ältere Dame zu belügen, und hatte plötzlich das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Deshalb atmete sie tief durch, ehe sie erwiderte: „Ach, ich fand das lange Haar auf einmal sehr unpraktisch.“ Hinter ihr räusperte sich Signor Saracino, und Milly wusste natürlich, warum. Er war der Überzeugung, sie hätte ihr Aussehen verändert, um von ihm nicht so leicht gefunden zu werden.
„Es steht dir gut. So siehst du jünger aus. Stimmt’s, Cesare?“ Seine Großmutter sah ihn an.
Er antwortete nicht, aber immerhin kannte Milly jetzt seinen Vornamen. Das war wichtig, damit das Lügengebäude nicht einstürzte. Sie hatte ein schlechtes Gewissen und verachtete sich wegen des Spiels, das sie ihrer Schwester zuliebe spielte.
Signora Saracino ließ Millys Hände los und forderte sie auf: „Zieh den Sessel heran, und setz dich neben mich. Dann erzählst du mir, weshalb du so plötzlich nach Hause fliegen musstest.“
Schweigend schob Cesare einen Sessel näher zu seiner Großmutter heran, ehe er den Raum durchquerte und sich an die Kaminverkleidung aus Marmor lehnte.
Er schien völlig entspannt zu sein, doch der Eindruck täuschte. Mit Argusaugen beobachtete er Milly, ihm entging nichts. Sie ließ sich in den Sessel sinken, den er ihr zurechtgerückt hatte, und zog den Rock über die Knie. Ihr war klar, dieser Mann wollte sich vergewissern, dass sie nichts Falsches sagte, was seine Großmutter irritierte oder aufregte.
„Es war offenbar sehr wichtig“, mutmaßte Filomena. „Sonst wärst du bestimmt nicht verschwunden, ohne dich zu verabschieden und ohne mich irgendwann anzurufen.“ Ihre Stimme zitterte etwas. „Ich habe dich wirklich vermisst. Ohne dich kamen mir die Tage so grau und lang vor.“ Ihre Augen, die kurz zuvor noch geleuchtet hatten, verloren den Glanz. „Wärst du
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