Romana Exklusiv Band 240
weiter über den steinigen Pfad zu dem Gepäck, das er abgestellt hatte. Dann wartete er, bis Milly ihn eingeholt hatte. „Mein Vater hat es vor vielen Jahren bauen lassen, nachdem er die Insel gekauft hatte. Er war ein Workaholic und zog sich mindestens einmal im Jahr hierhin zurück, um neue Kräfte zu tanken.“
„Sie haben sicher schöne Kindheitserinnerungen“, erwiderte Milly. Sie war verblüfft darüber, dass er überhaupt eine so persönliche Bemerkung machte, und versuchte sich unter den schwierigen Umständen so normal wie möglich zu verhalten. Was geschehen würde, wenn er sie durchschaute, wagte sie nicht sich auszumalen. Jedenfalls traute sie ihm zu, dass er sie in seinem Zorn ganz allein auf der Insel zurückließ.
Er verzog verächtlich die Lippen und erklärte: „Meine Mutter war nie hier. Sie war eine Großstädterin. Mein Vater brachte seine jeweilige Geliebte mit auf die Insel, und dabei konnte er mich nicht gebrauchen. Erst nach seinem Tod habe ich von der Existenz dieser Insel erfahren.“
Am liebsten hätte Milly ihm irgendetwas Nettes gesagt. Doch auf ihr Mitgefühl verzichtete er wahrscheinlich gern. Deshalb schwieg sie und konzentrierte sich auf den Pfad, der immer steiler wurde. Die Sonne schien heiß auf die vielen blühenden Pflanzen, deren Duft sich mit dem der Pinien und dem Geruch nach Meer vermischte. Weder die Hitze noch der steile Aufstieg schienen Cesare etwas auszumachen. Atemlos versuchte Milly, ihm zu folgen.
Wenn sein Vater keinen Hehl daraus gemacht hatte, dass er Freundinnen hatte, war er seinem Sohn kein gutes Vorbild gewesen. Man brauchte sich deshalb über Cesares Verhalten nicht zu wundern. Er schien es für normal zu halten, mit einer Frau zu schlafen und sie wegzuschicken, sobald er ihrer überdrüssig war.
Die arme Jilly, dachte Milly und betrachtete ihn. Beim Anblick seines von der leichten Brise, die vom Meer herwehte, zerzausten dunklen Haares überkam sie ein eigenartiges Gefühl. Er wirkte nicht mehr so unnahbar wie zuvor und nicht mehr wie der harte, rücksichtslose, weltgewandte Tycoon, als den sie ihn kennengelernt hatte. Es war durchaus verständlich, dass sich ihre Schwester, die bisher sehr flatterhaft gewesen war, Hals über Kopf und rettungslos in ihn verliebt hatte. Kaum eine Frau würde diesem Mann mit der faszinierenden Ausstrahlung widerstehen können.
„Wir haben es bald geschafft“, verkündete er.
Seine Stimme klang so seidenweich, dass es Milly heiß überlief. Hatte er etwa Mitleid mit ihr und wollte sie trösten? Sie blieb stehen und kniff die Augen zusammen. Sie waren oben auf dem Hügel angekommen, und vor ihnen lag ein bewaldetes Tal. Am Fuß des Hügels entdeckte Milly die kleine Bucht mit einem Sandstrand und das niedrige, weitläufige Haus. Es war das ideale Versteck für ein Liebespaar.
„Warum haben Sie mich hierher mitgenommen?“, fragte sie unvermittelt. Eigentlich wollte sie die Antwort gar nicht hören, denn sie wusste, sie würde ihr nicht gefallen. Doch die Ungewissheit zermürbte sie und zerrte an ihren Nerven.
„Warum wohl, Jilly?“
Sein Lächeln, seine ungemein verführerischen Lippen und das Leuchten in seinen schönen Augen, das erschreckend intim wirkte, verursachten ihr Herzklopfen. Sein Vater hatte dieses Haus auf der einsamen Insel bauen lassen, um ungestört mit seiner jeweiligen Geliebten zusammen sein zu können. Hatte Cesare ihr das nur deshalb erzählt, damit sie wusste, was ihr bevorstand?
Jilly und er waren ein Liebespaar gewesen, das war Milly klar. Beabsichtigte er etwa, die Beziehung wieder aufzunehmen? Sollte sie als eine Art Wiedergutmachung für den angeblichen Scheckbetrug mit ihm schlafen?
Ihr verkrampfte sich der Magen bei dem Gedanken, und die Beine drohten unter ihr nachzugeben. Das konnte er unmöglich planen. Und wenn doch? Was sollte sie dann machen?
Als er merkte, wie blass sie plötzlich wurde, musste Cesare lachen. Sie war eine schlechte Betrügerin, denn man sah ihr an, was sie dachte. Offenbar hatte sie begriffen, was er ihr hatte beibringen wollen, und war entsetzt. Wusste sie wirklich nicht, wie ihre Zwillingsschwester auf die indirekte Einladung reagiert hätte? Jilly wäre begeistert gewesen und hätte sich vor Freude auf ihn gestürzt.
„Kommen Sie, ich helfe Ihnen. Der Abstieg ist stellenweise gefährlich.“
Als er Millys Hand nahm und seine warmen, starken Finger sich um ihre schlossen, fing ihr Puls an zu rasen. Sie erbebte und hatte das Gefühl, keine Luft mehr
Weitere Kostenlose Bücher