Romana Extra Band 1
inzwischen fertig sein.“
Als sie die Küche betraten, in der Beth so viele Abende über ihren Hausaufgaben gebrütet und so manchen Streit mit ihren Eltern ausgefochten hatte, waren Lindy und Helen gerade dabei, den Tisch zu decken. Im Grunde sah alles immer noch so aus wie damals. Die Einrichtung war so gut wie unverändert, nur die Gegenstände in den Regalen waren andere.
„Und was genau bringt dich her, Beth?“, fragte Timothy, während er den Kaffee eingoss. Neugierig musterte er sie aus seinen hellen Augen. „Helen meinte, du hast einen Auftrag in Estellencs zu erledigen?“
Beth nickte. „Ja, das stimmt. Ich arbeite in einer Immobilienagentur, und mein Boss hat mich hergeschickt, weil ich ein Grundstück hier in der Nähe für einen Kunden beschaffen soll.“ Wut keimte in ihr auf, als sie daran zurückdachte, wie Lyle ihr mitgeteilt hatte, dass er sie nach Estellencs schicken wollte.
Er hatte sie vor vollendete Tatsachen gestellt mit seiner Eröffnung, er habe mit ihrer Mutter gesprochen, die ganz entzückt sei von der Vorstellung, dass Beth im Rahmen einer Geschäftsreise mit ihnen zusammen nach Estellencs fahren wolle. Helen habe daraufhin sofort Kontakt mit Timothy aufgenommen, der sie einlud, für die Dauer ihres Aufenthalts bei ihm zu wohnen. Und auf Beths Protest hin hatte Lyle ihr einmal mehr vor Augen geführt, wie abhängig sie von ihm war.
Es stimmte, sie konnte nicht das Geringste tun. Sie war auf den Job angewiesen. Auf die Schnelle würde sie nichts Neues finden – nicht mit ihrer Vorgeschichte. Denn Lyle war nicht der erste Chef, der ihr übel mitspielte.
Nach dem Abschluss ihrer Ausbildung hatte sie eine Stelle in einer Werbeagentur bekommen. Die Arbeit bereitete ihr viel Freude, doch die Avancen, die Horace, ihr verheirateter Chef, ihr machte, waren weniger angenehm. Als sie Horace drohte, dass sie ihn wegen Belästigung anzeigen würde, wenn er ihr noch einmal zu nahe trat, drehte er den Spieß einfach um und machte sie in der gesamten Branche unmöglich. Am Ende galt sie als die Frau, die versucht hatte, die Ehe ihres Chefs zu zerstören, nachdem sie von ihm zurückgewiesen worden war.
Eine himmelschreiende Lüge – aber die Leute glaubten Horace. Beth konnte von Glück reden, dass Lyle ihr noch eine Chance gab. Doch leider wusste er das auch ganz genau.
„Und wer ist dieser Kunde?“, unterbrach Timothy ihre Gedanken.
„Sein Name ist Luís Santiago – kennst du ihn?“
„Vom Sehen.“ Timothy nickte. „Du kennst ihn übrigens auch. Allerdings liegt eure letzte Begegnung schon viele Jahre zurück. Damals warst du noch ein Kind. Die Santiagos verbrachten zu der Zeit oft ihre Ferien in Estellencs. Du hast häufig mit Luís und seinen Geschwistern am Strand gespielt. Doch nach der Geschichte mit dem Mädchen kamen sie nicht mehr her.“
Beth kniff die Augen zusammen. „Ja stimmt, mir kam der Name gleich bekannt vor. Ich erinnere mich an einen mageren Jungen mit Brille und Zahnspange, der immerzu mit seiner kleinen Schwester an der Hand durch die Gegend gelaufen ist.“ Sie hielt kurz inne. „Und was kannst du mir über den Luís Santiago von heute berichten?“
„Nicht allzu viel fürchte ich.“ Timothy zuckte mit den Schultern. „Vor ein paar Jahren kam er zurück und gründete eine Charterfirma für Segeljachten. Kurz danach erwarb er das Grundstück, von dem ich annehme, dass es dasjenige ist, das du beschaffen sollst. Es liegt ein Stück die Küste hinauf. Unwirtliches Brachland. Zerklüftete Klippen, ein paar knorrige Olivenbäume, sonst nichts.“ Timothy lachte leise auf. „Die Leute haben ihn für verrückt erklärt, als er es erwarb. Doch seitdem ist die Gegend hier auch touristisch interessant geworden. Gerüchten zufolge gab es bereits Angebote über das Vier- bis Fünffache des ursprünglichen Kaufpreises, aber Santiago hat immer abgelehnt. Es ist überhaupt recht schwer, mit ihm in Kontakt zu treten. Er lebt wie ein Einsiedler auf dem Grundstück seiner Firma.“
Beth seufzte. Das klang alles andere als vielversprechend. Sie sollte einen Mann dazu bringen, ein Stück Land zu verkaufen, das er ganz offensichtlich nicht verkaufen wollte.
„Du sprichst von dem Küstenstreifen, der den Gonzáles gehörte, habe ich recht?“, fragte Helen. „Auf dem sie ein Haus für ihren Sohn und dessen junge Verlobte bauen wollten.“
Beth, die gerade einen Schluck von ihrem Kaffee nehmen wollte, zuckte so heftig zusammen, dass die heiße Flüssigkeit über den
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