Romana Extra Band 1
ließ die Hand sinken, und er wandte sich zum Gehen. Sie konnte nichts mehr erwidern. Er hatte ja recht. Dass der Abend in einer solchen Katastrophe endete, musste sie allein ihrer Unaufrichtigkeit zuschreiben.
„Beth, was ist denn los?“ Lindy, die ihr nachgekommen war, legte ihr die Hand auf die Schulter. „Habe ich etwas Falsches gesagt?“
Beth blinzelte die Tränen zurück, ehe sie sich umdrehte. „Nein“, erwiderte sie und lächelte zittrig. „Du hast gar nichts falsch gemacht. Was passiert ist, habe ich allein mir zuzuschreiben.“
„Aber was …?“
„Bitte sei mir nicht böse, Liebes. Ich möchte einen Augenblick allein sein.“
Lindy nickte verständnisvoll. „Wenn du jemanden zum Reden brauchst …“
„Ich hab’s vermasselt!“ Stöhnend legte Beth den Telefonhörer zurück auf die Station; gerade hatte sie wohl zum zehnten Mal innerhalb der letzten zwanzig Minuten versucht, Luís telefonisch zu erreichen.
Anderthalb Stunden waren vergangen, seit sich ihre Wege getrennt hatten. Nach ihrem kurzen Gespräch mit Lindy war sie ziellos durch die Gegend gelaufen. Dabei hatten sich ihre Gedanken im Kreis gedreht, und ihr war klar geworden, wie unprofessionell sie sich verhalten hatte. Sie war schließlich mit einem klaren Ziel hierhergekommen: Luís Santiago dazu zu bringen, sein Grundstück an ihren Boss zu verkaufen. Und zwar so schnell wie möglich.
Dieses Ziel war jetzt in weite Ferne gerückt.
Ihr Blick schweifte durch die Diele, über die Garderobe aus Eichenholz, die ihr Vater vor vielen Jahren gebaut hatte, und blieb an dem Telefon auf der kleinen Kommode hängen, von dem aus sie die ganze Zeit über versuchte, Luís zu erreichen. Doch weder bei dem Anschluss in seiner Charterfirma noch bei seinem Handy nahm jemand ab. Beth atmete tief durch. Sie musste mit Luís sprechen, unbedingt. Das war die einzige Chance, die sie noch hatte!
„Wenn er jetzt nicht ans Telefon geht, wird er es wahrscheinlich auch in fünf Minuten nicht tun“, unterbrach Onkel Timothy ihre Grübeleien. Er hatte das Lagerfeuer wie versprochen gelöscht und alle anderen Dinge vorübergehend im Bootshaus untergebracht. Auf seinem Rückweg vom Strand war er der völlig aufgelösten Beth begegnet und hatte sie kurzerhand mit nach Hause genommen. Nun trat er neben sie und drückte sie kurz an sich. „Nimm es nicht so schwer. Los, ab ins Bett mit dir, du siehst hundemüde aus. Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.“
Doch auch wenn die Versuchung, sich einfach zu verkriechen, groß war – Beth wollte ihr nicht nachgeben. Nicht, solange sie keine Lösung gefunden hatte. Bei dem Gedanken an Lindy, die friedlich im Zimmer nebenan schlummerte, würde sie ohnehin kein Auge zutun. Ihre Schwester und ihre Mutter verließen sich auf sie, und für die beiden wäre Beth bereit gewesen, durchs Feuer zu gehen.
Sie schüttelte den Kopf. „Du verstehst das nicht, Onkel Timothy. Ich hatte eine Chance – und die habe ich gründlich vermasselt!“
„Setzt dein Boss dich denn so sehr unter Druck?“ Timothy musterte sie besorgt. „Ich meine, sicher, du hast einen Auftrag. Aber ob jemand sein Anwesen verkauft oder nicht, ist immer noch dessen Angelegenheit. Du kannst nun mal nichts möglich machen, was nicht möglich ist.“
„So gesehen hast du recht. Aber wie so oft gibt es da einen Haken.“
„Und der wäre?“
Beth senkte die Stimme, um zu verhindern, dass ihre Worte bis ins Wohnzimmer zu hören waren, wo ihre Mutter saß. „Lyle, mein Chef … Er hat mich in der Hand. Wenn ich die Anstellung bei ihm verliere, stehe ich auf der Straße. Und was soll dann aus Mum und Lindy werden?“
„Dann such dir doch einen neuen Job“, schlug Timothy vor. „Du bist doch ein helles Köpfchen, Beth, und du hast eine abgeschlossene Ausbildung.“
„Das ist alles ein bisschen komplizierter, als es den Anschein hat. Ich …“ Seufzend fuhr Beth sich durchs Haar. „Es gab da einen Zwischenfall in der Firma, in der ich meine erste Anstellung hatte, mit dem Effekt, dass ich ganz sicher auf die Schnelle keinen neuen Job finden werde, wenn Lyle mich feuert.“
„Kann er das denn so einfach?“
Sie lachte bitter auf. „Verlass dich darauf, dass Lyle im Fall des Falles eine wasserdichte Begründung parat hat. Ich darf es also gar nicht erst so weit kommen lassen. Von der staatlichen Unterstützung allein können Mum und Lindy vielleicht gerade so leben – aber wer trägt dann die Kosten für die Therapie?“
Weitere Kostenlose Bücher