Romana Extra Band 1
Resigniert zuckte sie mit den Schultern. „Sag mir, wie wir das bewerkstelligen sollen, wenn ich meinen Job verliere.“
„Es geht bei diesem Auftrag also um unser aller Existenz?“
„Mum!“ Beth wirbelte erschrocken herum, als sie die Stimme ihrer Mutter hinter sich vernahm.
Helen Coldwell lehnte im Türrahmen und musterte ihre Tochter eindringlich. „Und du glaubst, Lyle wird dir kündigen, wenn du den Grundstückskauf nicht erfolgreich abschließt?“
„Er hat es zumindest angedeutet – und ich habe keinen Grund an seinen Worten zu zweifeln. Du kennst Lyle nicht. Er interessiert sich für niemand anderen als sich selbst. Und er weiß genau, wie dringend ich auf den Job angewiesen bin. Ich habe ihm damals, als wir zusammen waren, alles über Lindy erzählt.“
Ihre Mutter nickte. „Was habe ich dir immer gepredigt? Es ist nicht ratsam, eine Beziehung mit jemandem einzugehen, mit dem man zusammenarbeiten muss. Aber du wolltest ja nicht auf mich hören.“
Ärgerlich runzelte Beth die Stirn. „Das ist jetzt nicht sonderlich hilfreich, Mum. Außerdem konnte ich froh sein, überhaupt einen einigermaßen anständig bezahlten Job zu bekommen. Wie du weißt, hatte ich keine großartige Wahl.“
Ihre Mutter senkte den Blick. „Es tut mir leid, Darling, das war nicht fair von mir. Es ist doch nur …“ Ihre Augen waren feucht, als sie wieder aufsah. „Ich mache mir einfach Sorgen um Lindy. Du hast recht, ohne dein Einkommen werden wir ihre Therapie nicht länger finanzieren können.“ Entschlossen blinzelte sie die Tränen fort. „Aber das ist nicht deine Schuld, Liebes. Es war ein Fehler zuzulassen, dass du dir diese gewaltige Verantwortung überhaupt aufbürdest.“
Schweigend ging Beth nach oben. Onkel Timothy hatte ihr für die Dauer ihres Aufenthalts ihr altes Zimmer überlassen. Um kurz nach zehn lag sie immer noch wach und starrte zur Decke empor. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander. Sie hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Was konnte sie tun?
Sie setzte sich auf und griff nach ihrem Handy, das auf dem Nachttisch lag. Zwar rechnete sie sich keine großen Chancen aus, aber sie musste wenigstens versuchen, mit Lyle zu sprechen. Vielleicht war es ja möglich, eine Alternative zu finden. Es gab so viele herrliche Grundstücke in der Umgebung; Grundstücke, die wesentlich leichter zu bekommen waren als der Küstenstreifen, den Luís Cala de Laura getauft hatte.
Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, als sie Lyles Nummer wählte. Schon nach dem dritten Freizeichen meldete er sich.
„Es tut mir leid, dass ich dich so spät noch anrufe.“ Sie schluckte. „Es ist nur …“
„Hör auf, um den heißen Brei herumzureden, Beth. Hast du schon mit Santiago gesprochen? Wie sieht’s aus?“
Beth schluckte abermals. „Lyle, vielleicht solltest du deinem Klienten ein anderes Objekt empfehlen. Es gibt da einige Schwierigkeiten in Bezug auf Luís Santiago.“
„Nun, das war doch von Anfang an klar. Deshalb habe ich dich ja nach Estellencs geschickt. Ich bin zuversichtlich, dass es dir gelingen wird, Santiago umzustimmen. Schließlich weißt du ja auch, wie viel für dich davon abhängt.“
Beth wollte ihm versichern, dass sie alles in ihrer Macht Stehende unternahm und trotzdem nicht mit Sicherheit sagen konnte, ob sie erfolgreich sein würde. Doch es war zu spät. Lyle hatte bereits aufgelegt.
Seufzend wählte sie noch einmal Luís’ Nummer. Nach dem zehnten Freizeichen gab sie es auf. Hoffnungslosigkeit machte sich in ihr breit. Sie wusste nicht mehr weiter.
Sterne funkelten am schwarzblauen Firmament, als Luís seinen Geländewagen auf der Hügelkuppe abstellte. Obwohl Cala de Laura nur wenige Kilometer von Estellencs entfernt lag, erschien es ihm manchmal, als würde er die reale Welt hinter sich zurücklassen, wenn er hierherkam.
Schäumend schlug die Brandung gegen die schroffe Felsküste, die im Mondlicht silbrig schimmerte. Der Rest des Grundstücks war mit der für Mallorca typischen Mischung aus Laubbäumen bewachsen. Hier wuchs wilder Wacholder neben Zwergpalmen und leuchtend gelbem Ginster. Bei Tageslicht ein wundervoller Anblick – in der Nacht geheimnisvoll und ein Ort zum Nachdenken.
Hier hatte sich in den vergangenen vierundzwanzig Jahren nicht das Geringste verändert. Und genau so sollte es auch bleiben. Luís hatte den schmalen Streifen Land vor fünf Jahren gekauft, als er nach Estellencs gegangen war, um sich nach dem Bruch mit seiner Familie eine neue Existenz
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