Romana Extra Band 3
versetzt, und alles, was sie gebraucht hatte, war jemand, der sie beruhigte.
Sie nickte. Genau so war es gewesen. So und nicht anders. Und deshalb gab es auch nichts, worüber sie sich in Bezug auf Fernando Gedanken machen musste.
Zumal sie ihn ohnehin nicht mehr wiedersehen würde. Zumindest nicht allein, sondern höchstens in Gegenwart der Santiago-Familie.
Ihrer Familie.
„Wir sind da.“ Fernandos Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Laura blickte auf, und was sie sah, raubte ihr schier den Atem.
Vor ihr eröffnete sich der Blick auf eine Villa, die sich blendend weiß gegen den kobaltblauen mallorquinischen Sommerhimmel abhob. In den Scheiben der großzügigen Fensterfronten spiegelte sich das Sonnenlicht, und durch die ausladenden Kronen der hohen Korkeichen konnte man das leuchtende Türkis des Mittelmeers erkennen.
Fernando bog in die mit Kies bestreute Einfahrt ein, und unwillkürlich umfasste Laura ihren silbernen Anhänger. Gleich war es so weit. Nun würde sie endlich die Menschen kennenlernen, an die sie zwar kaum eine Erinnerung hatte, die aber dennoch in den letzten Tagen zum Mittelpunkt ihres Lebens geworden waren.
„Hier wohnen sie also“, wisperte sie andächtig. „Die Santiagos …“
Fernando stoppte den Wagen vor der breiten Vortreppe und sah sie an. „Es tut mir leid, aber da scheint ein Irrtum vorzuliegen.“ Der Klang seiner Stimme irritierte Laura. Schwang darin nicht eine Mischung aus Arroganz und Schadenfreude mit?
Sie runzelte die Stirn. „Wie meinen Sie das?“
Er hob die Schultern. „Hier wohnen nicht die Santiagos, sondern ich.“
2. KAPITEL
Laura fühlte sich wie betäubt. „ Sie wohnen hier? Aber wollten wir denn nicht zu meiner Familie fahren? Ich verstehe nicht …“
„Nun, wir sind ein wenig früh dran. Ihre Eltern und Ihre Brüder haben noch zu tun, daher werden wir erst in etwa zwei Stunden jemanden antreffen. Und sicher möchten Sie sich doch vor der Begegnung ein wenig frisch machen, nicht wahr?“
Verunsichert musterte Laura ihn. Sie fühlte sich verschwitzt, und die Bluse klebte ihr unangenehm auf der Haut. Insofern hatte Fernando recht. Andererseits konnte sie es kaum erwarten, ihrer Familie endlich gegenüberzutreten, und mit jeder Minute, die verstrich, wuchs ihre Nervosität. Und da sollte es noch zwei Stunden dauern? Die Aussicht behagte ihr ganz und gar nicht.
„Also, was ist?“, riss Fernandos Frage sie aus ihren Gedanken. „Können wir? Oder machen Sie sie sich etwa Sorgen, dass die Ausstattung meines Hauses Ihren Ansprüchen nicht genügt?“
Hastig schüttelte Laura den Kopf. „Nein, wie kommen Sie denn darauf“, entgegnete sie mit einem schüchternen Lächeln. „Meine Eltern … ich meine die Ortegas, die ich jahrelang für meine Eltern gehalten habe, waren zwar nicht arm, aber ein Haus wie Ihres habe ich noch nie betreten.“
Ihr Geständnis entlockte ihm ein Lächeln. „Dann sollten Sie sich darauf einstellen, dass sowohl der Wohnsitz Ihrer Tante Maria Velásquez als auch die Villa Ihrer Familie alles in den Schatten stellen, was Sie in Ihrem Leben gesehen haben.“
Laura schluckte. Kurz blitzten Bilder von scheinbar endlosen Korridoren und riesigen Zimmern vor ihrem geistigen Auge auf – doch das waren die Erinnerungen eines sechsjährigen Mädchens, dem sich die Welt schon allein wegen seiner Körpergröße aus einem ganz anderen Blickwinkel eröffnet hatte.
Sie beschwor sich, unvoreingenommen zu bleiben und die Dinge einfach auf sich zukommen zu lassen – was wesentlich leichter gesagt war als getan.
„Das ist alles schrecklich aufregend für mich“, sprudelte sie hervor. „Und irgendwie auch beängstigend.“
Fernando hob eine Braue. „Beängstigend? Warum das?“
„Nun ja, ich meine …“ Sie zuckte mit den Schultern. „Was, wenn ich den Erwartungen meiner Familie nicht gerecht werde?“ Was, wenn sie mich sehen und zu dem Schluss kommen, dass ich nicht wirklich eine von ihnen bin? Dass ich nicht dazugehöre?
Seine Miene verfinsterte sich. „Seien Sie unbesorgt“, erwiderte er knapp. „Wenn Sie die sind, die Sie behaupten zu sein, wird man Sie mit offenen Armen empfangen. Andernfalls …“
Er brauchte den Gedanken nicht weiter auszuführen, Laura verstand ihn auch so. „Ich bin die, die ich behaupte zu sein!“, sagte sie mit Nachdruck. Sie ärgerte sich, dass er andeutete, sie könnte eine Betrügerin sein. Was bildete der Mann sich überhaupt ein?
„Eigentlich würde ich lieber gleich zu meinen
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