Romana Extra Band 3
Velásquez. Die reiche Witwe, der wegen des frühen Todes ihres Mannes keine eigenen Kinder vergönnt gewesen waren, hatte ihn aufgenommen und wie einen eigenen Sohn behandelt. Ohne sie wäre er nicht in der Lage gewesen, sein Jurastudium zu finanzieren. Er wusste, dass er allen Grund hatte, ihr dankbar zu sein.
Aber bedeutete das auch, dass er es sich gefallen lassen musste, wenn sie ihm ständig in die Belange seiner Kanzlei hineinredete? Er war nicht dieser Ansicht, und das hatte er Maria auch klipp und klar gesagt. Mit dem Ergebnis, dass sie ihm ebenso offen mitgeteilt hatte, was sie von ihm erwartete: dass er exklusiv die Interessen von Marias Firma und die ihrer Familie vertrat.
Doch Fernando dachte gar nicht daran, sich in dieser Weise gängeln zu lassen. Er liebte Maria wie eine Mutter, aber sie musste lernen, dass er schon lange nicht mehr der dumme Junge war, der sich alles sagen ließ. Und davon abgesehen war ihm diese ganze Geschichte mit der verlorenen Tochter, die plötzlich wieder auftauchte, von Anfang an suspekt gewesen.
Mehrfach hatte er versucht, Maria und ebenso die Santiagos zur Vorsicht zu mahnen, ihnen nahegelegt, nicht allzu vertrauensselig zu sein, doch er war auf taube Ohren gestoßen. Und nun, nachdem er Laura kennengelernt hatte, war sein Unbehagen sogar noch gestiegen. Allerdings – hätte ihn jemand gefragt, weswegen, wäre er nicht in der Lage gewesen, einen genauen Grund zu benennen. Sein Gefühl sagte ihm ganz einfach, dass man der Frau nicht trauen konnte. Vorsicht schien ihm geboten, und deshalb war er mit Laura auch nicht auf direktem Weg zu den Santiagos gefahren, sondern hatte sie zunächst in sein Haus gebracht.
Anschließend war er zu seiner Kanzlei gefahren – jedoch nicht um zu arbeiten, sondern damit er in Ruhe nachdenken konnte. Etwas, das in Lauras Gegenwart unmöglich war.
Nicht einmal mehr auf seine Konzentrationsfähigkeit beim Billardspielen schien Verlass. Und schuld daran war nur sie. Ach was, korrigierte er sich im nächsten Moment ärgerlich. Rede dir doch nicht ein, dass deine Probleme allein mit deinem Unbehagen ihr gegenüber zusammenhängen .
Nein, es gab noch etwas anderes, das zwar auch mit Laura zu tun hatte, aber eher mit ihrer Attraktivität und nicht mit den Absichten, die sie verfolgte.
Noch nie zuvor war ihm eine Frau begegnet, zu der er sich auf Anhieb so hingezogen gefühlt hatte. Laura Ortega war hinreißend schön, und ihre Ausstrahlung zog ihn völlig in ihren Bann.
Er schüttelte den Kopf. Was für einen gedanklichen Unsinn verzapfte er denn da? Gut, er reagierte auf ihr hübsches Äußeres, doch mehr war da nicht. Wie auch? Immerhin kannte er die Frau erst seit heute.
Und warum hat es dir dann fast das Herz gebrochen, als sie nach dem Beinahe-Zusammenstoß mit dem anderen Wagen völlig verängstigt auf dem Beifahrersitz saß?
Fernando beschloss, dass es nichts brachte, sich weiter den Kopf zu zerbrechen, und wandte sich vom Fenster ab. Viel dringender musste er klären, wie er nun vorgehen sollte. Schließlich erwarteten die Santiagos Laura und ihn!
Wie aufs Stichwort erklang der Klingelton seines Handys. Seufzend fischte Fernando das Gerät aus der Tasche. Ein flüchtiger Blick aufs Display verriet ihm, wer der Anrufer war.
Maria …
Er atmete tief durch, ehe er das Gespräch annahm.
„Hast du sie vom Flughafen abgeholt?“, fragte Gabriela Santiagos Schwester ohne Umschweife.
Fernando zögerte kurz, ehe er antwortete. „Sí.“
„Und warum um alles in der Welt seid ihr dann noch nicht hier?“ Die Missbilligung war ihrer Stimme deutlich anzuhören. „Die ganze Familie ist versammelt, das weißt du doch. Wir warten auf euch.“
„Ich weiß.“ Fernando verlieh seiner Stimme einen betont neutralen Klang; so, wie wenn er mit Mandanten sprach, wenn er ihnen einerseits Verständnis signalisieren wollte, gleichzeitig aber um Distanz bemüht war. „Allerdings werdet ihr euch wohl oder übel noch eine Weile gedulden müssen, ehe ihr mit Señorita Ortega sprechen könnt.“ Geduld war für Maria ein Fremdwort, niemand wusste das besser als er. Entsprechend irritiert reagierte sie nun.
„Wie meinst du das?“, fragte sie gefährlich ruhig. Fernando konnte sich genau vorstellen, wie sie aussah, wenn sie diesen Ton anschlug. „Was soll das heißen, wir müssen uns gedulden?“
„Nun, Señorita Ortega ist ziemlich aufgelöst. Die Umstände, unter denen sie erfahren hat, dass ihr bisheriges Leben auf einer Lüge aufgebaut ist,
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