Romana Extra Band 4 (German Edition)
sie hatte ihn nicht duzen wollen.
„Ich wollte dir die Wahrheit sagen.“ Sein Blick ruhte auf ihr.
Empört drehte Faye sich zu ihm um. „Und ich soll dir glauben? Du kommst hierher und erzählst mir eine billige Geschichte, die ich dir glauben soll? Aber mir wirfst du blödsinnige Anschuldigungen an den Kopf und kontrollierst mich bei einem Kundentermin.“ Faye macht ihrem Ärger Luft. Sie war froh über ihren Ausbruch, denn wütend zu sein war besser, als verletzbar sein.
„Und? Liege ich wirklich falsch?“
Faye schnappte nach Luft und fixierte ihn entrüstet. Eigentlich wollte sie etwas sagen, aber ihr Mund öffnete sich nur tonlos. Erst als sie den Kopf wegdrehte und wieder aus dem Fenster blickte, schaffte sie es, die nächsten Worte auszusprechen. „Bitte gehen Sie, Señor de Torres.“
Javier erwiderte nichts.
„Oder wollen Sie mich etwa feuern?“ Ohne ihn anzusehen, spie sie die Worte aus. Wenn es so sein sollte, dann musste sie eben damit klarkommen.
Er zögerte ein paar Sekunden. Das war es jetzt, dachte Faye. Ich habe mich gerade um den Job gequatscht. Doch dann sagte er: „Nein, das will ich nicht.“
Javier stand hinter ihr und sie konnte sein Spiegelbild in der Fensterscheibe erkennen. Es war ihm wohl nicht bewusst, dass sie ihn sehen konnte, denn langsam hob er seine Hand, als wolle er ihr Haar berühren. Plötzlich drehte er sich weg und verließ das Zimmer.
Regungslos sah Faye ihm in der Spiegelung der Fensterscheibe nach, zögernd ging er zur Wohnungstür, stutzte plötzlich und trat einen Schritt zurück. Er blickte interessiert in ihr Schlafzimmer und trat dann wieder in den Flur. Jetzt starrte er auf ihren Hinterkopf. Anscheinend hatte ihn etwas überrascht, doch dann wandte er sich wieder ab und verschwand ohne ein weiteres Wort aus der Wohnung.
Sofort lief Faye zum Schlafzimmer. Was hatte Javier gesehen, was hatte ihn so stutzen lassen? Sie stellte sich an die Tür und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Dann sah sie es.
Sein Brief aus London, seine kleine Mitteilung darüber, dass er nichts bereute, stand gut sichtbar auf ihrem Sideboard. Daneben eine kleine Vase mit der roten Rose, die sie noch vor Silvester gekauft und neben den Brief gestellt hatte. Und plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie die wichtigste Frage nicht gestellt hatte: Wieso war es ihm überhaupt so wichtig, das Missverständnis von heute Nachmittag aufzuklären und ihr die Wahrheit zu sagen?
Fayes Magen zog sich zusammen. Den Brief hätte er nicht sehen sollen. Er war ihr Zugeständnis an ihre Gefühle für ihn. Sie hatte es nicht übers Herz gebracht, den Brief wegzuwerfen.
Er war ihre einzige schöne Erinnerung an den Abend in London. Javiers Blicke, seine Berührungen, all seine Worte waren anscheinend nicht echt gewesen. Doch diese handgeschriebenen Zeilen hatten eine Wahrhaftigkeit, die sie nicht leugnen konnte. An diese Wunschvorstellung hatte sie sich bisher geklammert. Sie nahm den Brief in die Hand.
Es war der zauberhafteste Abend meines Lebens, und das ist keine Lüge. Ich bereue nichts, außer dass wir uns nicht wiedersehen werden.
Er hatte es selbst geschrieben: Und das ist keine Lüge! Oh, wie sehr hatte sie sich gewünscht, ihn wiederzusehen. Es war wirklich Ironie des Schicksals, dass sich ihr innigster Wunsch erst erfüllt hatte, nur um sich sofort ins Gegenteil zu verkehren. Heute bereute sie zutiefst, ihn wiedergetroffen zu haben.
An Silvester war sie noch unglücklich darüber gewesen, dass es tatsächlich einen Mann gab, der sie im Innersten ihrer Seele verstand, und der dann wieder aus ihrem Leben verschwunden war. Doch wie viel einfacher wäre ihr Leben heute, wenn sie ihn nie getroffen hätte.
Plötzlich war Faye verunsichert. Wenn er so felsenfest von ihrer Verschwörung gegen ihn überzeugt war, warum wollte er dann unbedingt den heutigen Vorfall klären? Schließlich war ihm der Besuch bei ihr offensichtlich nicht leichtgefallen. Empfand er doch etwas für sie? Immerhin fühlte sie sich jetzt nach seinem Besuch leichter ums Herz. Was immer dieser Kuss zwischen Javier und Isabella zu bedeuten hatte, es war nicht mehr so schwerwiegend wie noch vor wenigen Minuten.
Dann fiel ihr etwas ein, was sie schlagartig aus ihrem Wunschdenken herausriss. Wenn er tatsächlich die Wahrheit sagte, dann hatte sie gerade die beste Gelegenheit verpasst, ihm von dem Abendessen mit Isabella und deren Versuch, sie auf ihre Seite zu ziehen, zu erzählen.
Wenn sie ihm das nicht beichten
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