Romana Extra Band 4 (German Edition)

Fall durch überflüssiges Grübeln wieder infrage stellen.
    Ihr Blick fiel auf den Umschlag, den sie zuvor achtlos auf ihr Bett geworfen hatte, und dankbar hob sie ihn auf. Der Brief würde sie wenigstens für ein oder zwei Minuten ablenken. Während sie wieder zurück ins Atelier ging, um dort auf Khaled zu warten, riss sie den Umschlag auf und entnahm ihm zwei eng beschriebene Seiten. Sie erkannte die Schrift sofort.
    Paolo.
    Sapphy war sich nicht sicher, ob sie erfreut oder traurig sein sollte. Es war der erste Brief, den er ihr während ihres ganzen Aufenthaltes in Jebbai geschrieben hatte. Warum sollte er sich ausgerechnet jetzt melden? Es sei denn, er wollte sich bei ihr entschuldigen. Sie begann zu lesen.
    Liebste Sapphy,
    mir ist klar, dass Du im Augenblick wahrscheinlich nichts von mir wissen willst, aber ich konnte unmöglich zulassen, dass die Dinge zwischen uns so bleiben wie nach unserem letzten Telefongespräch. Denn erstens weiß ich, dass Du das Recht hast auf eine Entschuldigung und eine Erklärung, und zweitens mache ich mir nach wie vor Sorgen um Dein Wohlergehen, solange Du in Jebbai bist.
    Sapphy rieb sich ungeduldig die Stirn. Wenn Paolo vorhatte, sie mit weiteren Anschuldigungen davon zu überzeugen, dass sie unter keinen Umständen in Jebbai bleiben durfte, würden seine Worte auf taube Ohren fallen. Paolo war offensichtlich erbittert, weil Khaled sein Geheimnis aufgedeckt hatte. Wahrscheinlich hatte Khaled ihm schon vor langer Zeit damit gedroht, das war die einzige Erklärung, warum Paolo ihn so sehr hasste. Aber sie kannte die Wahrheit jetzt, und Paolo musste akzeptieren, dass es ein Fehler gewesen war, ihr nichts davon zu erzählen. Ihre gesamte Beziehung hatte auf einer Lüge beruht.
    Mir ist klar, dass ich Dir große Schmerzen zugefügt habe. Ich bedauere es zutiefst, dass ich Dir nicht von meiner Eheschließung erzählt habe, solange ich die Möglichkeit dazu hatte. Und ich fürchte, dass durch mein Versprechen, die Ehe mit Helene geheim zu halten, nun nicht einmal mehr die Chance besteht, dass wir in Zukunft Freunde bleiben können. Aber wie hätte ich Dir sagen sollen, dass ich schon verheiratet bin? Ich hatte viel zu große Angst, Dich zu verlieren. Dennoch wünschte ich, ich hätte Dir alles erzählt, denn nun hasst Du mich wahrscheinlich.
    Aber egal, was Du von mir denkst, Du musst die Wahrheit erfahren.
    Die Umstände unserer Hochzeit waren, gelinde ausgedrückt, ungewöhnlich. Aber was das Wichtigste ist, ich habe eine Frau geheiratet, die gegen ihren Willen von ihrer Familie mit einem anderen Mann verheiratet werden sollte. Dieser Mann schwor mir ewige Rache und kündigte an, dass er mir eines Tages die Frau stehlen würde, wenn ich meinerseits heiraten möchte. Und deshalb bin ich um Deine Sicherheit besorgt.
    Denn dieser Mann war Khaled.
    Sapphy spürte, wie ihr Magen sich verkrampfte. Paolo hatte also die Frau geheiratet, die Khaled versprochen gewesen war. Kein Wunder, dass dieser ein Interesse gehabt hatte, das Geheimnis seines ehemaligen Widersachers zu enthüllen.
    Aber Paolos Andeutung, dass Khaled sie nur deshalb ausgewählt habe, weil sie im Begriff gewesen sei, Paolo zu heiraten … das konnte unmöglich wahr sein. Sie und Paolo waren nie offiziell verlobt gewesen. Es sei denn, Khaled hatte die Spekulationen über eine bevorstehende Heirat in den Zeitungen gelesen.
    War das der Grund, aus dem sie hier war? Hatte Khaled sie unter einem Vorwand hierher gelockt, um sie Paolo zu „stehlen“? Das war doch Wahnsinn.
    Aber auf der anderen Seite, war diese Erklärung nicht glaubwürdiger als Khaleds Behauptung, er habe sie auf einem Foto gesehen und sich sofort in sie verliebt?
    Sie las weiter, und mit jeder weiteren Enthüllung legte sich eine dünne Eisschicht über ihr Herz. Paolo hatte Helene geheiratet, um sie vor einer arrangierten Heirat mit Khaled zu schützen. Die Ehe bestand nur auf dem Papier und sollte nur so lange dauern, bis Khaled sich eine andere Frau genommen haben würde. Danach sollte sie annulliert werden, und jeder der beiden Partner sollte frei sein, sich mit einem anderen Menschen zu vermählen. Sie hatten nicht damit gerechnet, dass Khaled auch zwölf Jahre später noch auf der Lauer liegen würde, um sich an ihnen zu rächen.
    Kein Wunder, dass Paolo so ängstlich auf jegliche Andeutung in Bezug auf eine gemeinsame Zukunft reagiert hatte. Kein Wunder, dass er sich zurückgezogen hatte, als das Thema Heirat aufgekommen war. Er hatte keine andere