Romana Extra Band 5 (German Edition)
nächsten Gruppe zu führen. Sofort fühlte er, wie sie sich instinktiv seinem Griff entziehen wollte.
Mit sanftem Druck führte er sie zu seiner Mutter, verabschiedete sich, blieb aber in der Nähe, um ihre Reaktionen weiter zu beobachten.
Als es Zeit zum Abendessen wurde, achtete er darauf, den Platz ihr gegenüber zu bekommen. So konnte er sie seine Gegenwart spüren lassen, ohne dass seine Absichten allzu offensichtlich waren. Wie bei diesen Familientreffen üblich, floss der Alkohol reichlich, und je weiter der Abend fortschritt, desto ungezwungener wurden die Gespräche.
Nach dem Essen wurden Likör und Schnaps gereicht. Die Gäste, die noch nicht wie seine Mutter zu Bett gegangen waren, erfanden eine Ausrede nach der anderen, um ihre Gläser zu erheben und auf alles und jeden anzustoßen. Schließlich klopfte Theo mit einem Löffel an sein Glas und wartete, bis die Tischgespräche verstummten und sich alle Blicke auf ihn gerichtet hatten.
Abby, bemerkte er, betrachtete ihn eher angespannt als erwartungsvoll. Ob sie sich fragte, was er sagen würde? Ihre Augen zumindest funkelten wachsam. Und sie hatte schöne Augen. Augen, die einen Mann in die Falle locken konnten. Braun, groß, und manchmal schien ein sinnlicher Schimmer in ihnen zu erscheinen. Er hob sein Glas und deutete damit direkt auf sie. „Auf die wunderschöne Abigail Clinton und auf ihre Verlobung mit meinem Bruder!“ In die begeisterte Zustimmung der Übrigen fügte er leise, nur für sie hörbar, hinzu: „Auf die ziemlich schnelle Verlobung …“
Abbys Blick traf den seinen. Wieder lief ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken. Im Schein der flackernden Kerzen wirkte sein Gesicht diabolisch. Dennoch schaffte sie es, ihr Glas zu heben.
„Warum Zeit verschwenden, wenn zwei Menschen genau wissen, was sie wollen?“, erwiderte sie. Um sie herum hatte die allgemeine Unterhaltung wieder ihre volle Lautstärke erreicht. Erschrocken stellte Abby fest, dass ihr geflüstertes Gespräch den Charakter von etwas sehr Privatem, Intimem angenommen hatte. Rasch setzte sie ein breites offenes Lächeln auf.
Aber ihre Hoffnung, ihn mit dieser Geste aus dem Konzept zu bringen, erfüllte sich nicht. Stattdessen hob er sein Glas zu einem schweigenden Toast und trank einen Schluck. Die ganze Zeit über musterte er sie so eindringlich, dass sie es nicht länger aushalten konnte und den Blickkontakt abbrach. Verzweifelt sah sie sich nach Michael um, doch der war damit beschäftigt, einen Onkel in seine neuesten Geschäftsideen einzuweihen. Mit einem übertriebenen Hüsteln gelang es ihr schließlich, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Gott sei Dank stand er sofort auf und wünschte der Tischgesellschaft laut Gute Nacht. Ein bisschen zu hektisch ergriff sie seine ausgestreckte Hand und achtete nur noch darauf, Theos Blick nicht mehr zu begegnen.
Erst als sie in ihrem Schlafzimmer angekommen waren und die Tür hinter sich verschlossen hatten, stieß sie einen Seufzer der Erleichterung aus.
„Also“, sagte Michael, „was hältst du von meiner Familie?“
„Sehr … lebenslustig.“ Sie erwiderte sein Lächeln, dann ging sie zur Frisierkommode hinüber und löste ihren Zopf. „Deine Mutter ist wundervoll, so freundlich. Ich war mir nicht sicher, was ich erwarten sollte. Mütter können sehr besitzergreifend sein, wenn es um ihre Söhne geht.“ Im Spiegel trafen sich ihre Blicke, und Michael grinste.
„Ja, aber Gott sei Dank bin nicht ich der Erstgeborene. Auf Theos Schultern ruhen die großen Erwartungen. Nicht dass er sie nicht erfüllen würde.“
„Das tust du auch, Michael.“
„Wohl kaum.“ Sein Lächeln verschwand kurz, aber dann entspannte er sich sichtlich, trat hinter sie und massierte ihre verspannten Schultern. „Du verstehst, warum es so wichtig für mich war, dich hierher mitzunehmen … Abby, du bist der einzige Mensch, dem ich vertraue, und ich kann dir gar nicht sagen, wie viel mir das bedeutet.“
Sie wandte sich um und zog ihn näher an sich, sodass er vor ihr kniete. „Ich vertraue dir auch … wir sind gut füreinander, Michael. Und so können wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ich hoffe nur …“
„Was?“
„Dein Bruder scheint mich nicht zu mögen“, meinte Abby tonlos. „Hast du das nicht bemerkt? Ich hatte den Eindruck, dass er mich den ganzen Abend über beobachtet hat. Nachdem er den Toast über unsere Verlobung ausgesprochen hatte und alle anderen sich wieder unterhielten, hat er sich zu mir gebeugt
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