Romana Extra Band 6
Berührung nicht absichtlich herbeigeführt hatte, sondern nur daran interessiert war, den Ring zu untersuchen. Sie war sich seiner Nähe jedoch sehr wohl bewusst. Dadurch wurde eine lebhafte Erinnerung an den heutigen Morgen heraufbeschworen, als er hinter ihr lag und seine Hand ihre Brust warm umschloss; auch an das heftige Herzklopfen, das jetzt erneut begann – aber dieses Mal nicht aus Furcht.
„Ein Liebespfand?“, erkundigte er sich mit hochgezogener Augenbraue.
„In gewisser Weise. Er gehörte meinem Vater. Wir haben uns sehr geliebt. Er starb, als ich zwanzig war.“
„Und Ihre Mutter?“
„Sie lebt noch, allerdings sehe ich sie nicht oft. Sie ist Amerikanerin und lebt mit ihrem zweiten Mann in Massachusetts. Meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich acht war. Zuerst habe ich ein paar Jahre bei meiner Mutter gewohnt und meinen Vater in den Ferien besucht. Aber dann in der Pubertät fand meine Mutter mich schwierig – und das war ich wohl auch wirklich –, und ich kam in ein Internat nach England. Damals habe ich nur die Sommerferien bei meiner Mutter verbracht und die anderen Ferien mit meinem Vater.“
„Wo hat er gelebt?“, wollte David wissen.
Während sie ihm von sich erzählte, hatte er den Ring losgelassen und sich wieder entspannt in seinen roten Korbstuhl zurückgelehnt.
„In Norfolk“, erwiderte sie. „Meine Schule befand sich im ehemaligen Haus seines Großvaters, und dadurch war es ihm möglich, mich dort zu ermäßigten Schulgebühren unterzubringen. Der Hauptgrund für die Scheidung meiner Eltern war eine Fehleinschätzung meiner Mutter. Sie hatte geglaubt, in eine wohlhabende und angesehene Familie einzuheiraten. Alles, was mein Vater beim Tode seines Vaters erbte, waren jedoch nur ein riesiges, zugiges Haus ohne Heizung und moderne sanitäre Anlagen und jede Menge Schulden. Doch jetzt genug von meiner Lebensgeschichte. Erzählen Sie mir etwas von sich. Wo ist Ihr Familiensitz?“
„In Northamptonshire. Aber ich fahre nie dorthin. Meine verwitwete Schwägerin und ihre zwei Töchter leben dort. Margaret und ich kommen nicht gut miteinander aus. Das letzte Mal war ich vor über sechs Jahren in Blackmead.“
Ein verschlossener, grüblerischer Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. Liz spürte, dass die Erinnerung an seinen letzten Besuch in Blackmead in irgendeiner Weise schmerzhaft für ihn war.
In diesem Moment brachte der Kellner die Meeresfrüchte. David entfaltete seine Serviette und rückte näher an den Tisch heran. Der Anblick des leckeren Essens hatte offensichtlich vorerst seine düsteren Erinnerungen vertrieben.
Später hatten sie Anna abgeholt. Nachdem sie ihr geholfen hatten, die Dinge, die sie in die Villa mitnehmen wollte, zum Auto zu tragen, bestand David darauf, dass Liz sie fahren sollte. Obwohl sie eine sehr sichere Fahrerin war, stieß sie einen Seufzer der Erleichterung aus, als sie den teuren Sportwagen unbeschädigt auf den Vorplatz gelenkt hatte.
Während Anna das Dinner zubereitete, fragte David Liz, ob sie Lust hätte, sich sein Atelier anzusehen. Es befand sich in dem Gebäude hinter der Garage, von dem Liz angenommen hatte, dass es ein ungenutztes Nebengebäude war.
„Es ist wahrscheinlich total eingestaubt; Anna darf hier nämlich nicht rein“, meinte er und holte den Schlüssel hervor.
Er hatte zwar behauptet, ein professioneller Künstler zu sein, aber sie befürchtete, dass er eher ein Dilettant wäre, der es geschafft hatte, bei einer Amateurausstellung einige Bilder zu verkaufen. Gab es etwas Schwierigeres, als höfliche Bemerkungen über Bilder machen zu müssen, die einem nicht gefielen?
David schloss die Tür auf und spähte hinein. „Es ist gar nicht so schlimm, wie ich dachte.“ Er ließ sie vor sich eintreten.
Das Gebäude hatte keine Fenster, aber ein riesiges Oberlicht mit einer horizontal angebrachten Jalousie, die auf Knopfdruck zur Seite glitt und das sanfte Abendlicht hereinließ.
Bevor Liz Zeit hatte, sich überall umzuschauen, blieb ihr Blick auf einem Bild an der gegenüberliegenden Wand haften.
„Oh … Sie haben einen David Warren!“, rief sie begeistert. Schon seit ihrer Studienzeit bewunderte sie Warrens Werke. Sie bemerkte, dass die zwei kleineren Gemälde an der Seitenwand ebenfalls Warrens waren. Der ganze Raum war voller Warrens. Sie drehte sich abrupt um. „Sind Sie David Warren?“
Als Antwort auf ihre erstaunte Frage nickte er lächelnd. „Haben Sie meine Sachen schon irgendwo
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