Romana Extra Band 6
dass ihre goldene Welt zusammenbrechen würde.
„Ich muss morgen früh nach England fahren“, teilte er ihr mit. „Es ist etwas passiert – etwas völlig Unerwartetes –, und das wird wahrscheinlich mein Leben verändern.“
„In Blackmead?“, fragte sie mit angespannter Stimme.
„Ja, in Blackmead. Wie bist du darauf gekommen?“
Liz beantwortete seine Frage nicht. Trotz der brütenden Hitze war ihr plötzlich kalt. „Was ist passiert?“
„Margaret – meine Schwägerin – hat beschlossen, wieder zu heiraten. Sie wird Blackmead verlassen. Das Landgut hat offiziell immer mir gehört, aber solange sie es bewohnte, konnte ich nicht dort leben. Jetzt kann ich zurückkehren und es übernehmen, wenn ich will. Darüber muss ich noch nachdenken.“
Liz starrte ihn verblüfft an. Er wirkte nicht so, als ob Margaret Castles bevorstehende Eheschließung ihn berührte. Konnte es sein, dass sie ihm gleichgültig geworden war? Dass er von seiner Liebe zu ihr geheilt war?
„Wen wird sie heiraten?“, fragte sie und beobachtete seine Reaktion genau.
„Einen der alten Jagdfreunde meines Bruders, dessen Frau vor ein paar Monaten gestorben ist. Sein Haus ist erheblich größer und bedeutender als Blackmead. Sie steigt dadurch auf“, bemerkte David trocken. „Bob ist ein fürchterlicher Langweiler, aber das ist Margaret egal, wenn sie dadurch ihren gesellschaftlichen und finanziellen Status verbessern kann.“
Durch die offene Geringschätzung in seinem Ton wurde Liz klar, dass sie mit ihrer Vermutung, er liebe Margaret, völlig danebengelegen hatte. Aber wenn sie nicht die wichtige Frau in seinem Leben gewesen war, wer dann?
„Es gab eine Zeit, da hätte Bob nicht wieder geheiratet, bevor seine Frau nicht mindestens ein Jahr unter der Erde gewesen wäre“, fuhr David sichtlich verbittert fort. „Aber die alten Verhaltensregeln ändern sich, sogar in dieser Generation. Wie ich gehört habe, ist er ein vergnügungssüchtiger alter Lustgreis. Wenn ich richtig zwischen den Zeilen gelesen habe, wärmt Margaret schon sein Bett und möchte es so schnell wie möglich offiziell machen. Deshalb die dringende Aufforderung zu kommen.“
David nahm das Salatbesteck hoch und reichte es Liz. Als sie vom Schwimmen gekommen war, war sie sehr hungrig gewesen, aber jetzt war ihr der Appetit vergangen. Sie zwang sich dazu, ganz ruhig zu reagieren, als ob nicht etwas äußerst Entscheidendes vorgefallen wäre. „Wie lange, denkst du, wirst du drüben bleiben? Du kannst das vermutlich jetzt gar nicht abschätzen“, sagte sie, während sie sich eine kleine Portion von Teresas Eiersalat auftat.
„Zu diesem Zeitpunkt noch nicht – nein. Du kommst doch mit, oder? Das hoffe ich jedenfalls.“
Er wirkte und klang aufrichtig. Ihr Herz machte vor Freude einen Sprung.
Bemüht kühl sagte sie: „Oh, aber kannst du das nicht besser allein regeln? Ich bin eine Außenstehende, ich wäre nur eine Belastung für dich.“
David reichte ihr die Pfeffermühle. „Mir ist klar, dass es ärgerlich ist, von hier abzureisen, wenn das Wetter noch so schön ist. In England ist es wahrscheinlich nicht so schön. Wenn wir nicht den ganzen Tag miteinander verbringen können, so können wir doch wenigstens die ganze Nacht zusammen sein. Und das ist mir ziemlich wichtig – ich hoffe, dir ebenfalls.“
Liz blickte auf ihren Teller, damit er nicht sehen konnte, wie wichtig ihr das war.
„Bob ist also nicht der Einzige, der sein Bett gewärmt haben möchte, hm? Na gut, ich komme mit. Liegt Blackmead einigermaßen in der Nähe von Coventry? Ich wollte schon immer gern Graham Sutherlands Wandteppich mit der Kreuzigungsszene in der Kathedrale sehen.“
„Nach Coventry ist es nicht sehr weit“, antwortete David. „Die Hauptattraktion in der Nähe von Blackmead ist allerdings Althorp, die Residenz der Familie Spencer.“
Liz wüsste gern, ob David Anhänger der Monarchie war. Es gab immer noch so vieles, das sie über ihn nicht wusste. Sie staunte darüber, dass manche Leute sich nach einigen Jahren Ehe nichts mehr zu sagen hatten. Sie hatte das Gefühl, David und ihr würde nie der Gesprächsstoff ausgehen. Aber möglicherweise sah er das ganz anders.
Auf der Party der Salviatis wurden sie von Giancarlo, dem gut aussehenden Sohn des Hauses, willkommen geheißen. Als er erfuhr, dass Liz auch Künstlerin war, bot er ihr sofort an, ihr die Gemäldesammlung seines Vaters zu zeigen, die zu großen Teilen aus Bildern von Giorgio Morandi, dem
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