Romana Extra Band 6
Neuigkeiten“, verkündete seine Mutter am anderen Ende der Leitung fröhlich.
„Welche denn?“, fragte er skeptisch. Ihre Vorstellungen von „gut“ und „schlecht“ stimmten selten überein.
„Deine Tochter ist am Rosenberg-Institut in der Schweiz angenommen.“
„Ich wusste gar nicht, dass sie sich dort beworben hat“, konterte er trocken.
Elena stieß einen ungeduldigen Laut aus. „Wo bleibt deine Dankbarkeit? Ich musste meine Beziehungen spielen lassen. Schließlich ist sie erst vier.“
„Darum habe ich dich nicht gebeten.“
„Deine Schwester ist dort zur Schule gegangen. Es hat einen hervorragenden Ruf.“
„Ich schicke Riley nicht aufs Internat.“
„Sei vernünftig“, beharrte sie. „Damit erübrigt sich auch die Betreuungsfrage.“
„Das Kindermädchen für den Sommer ist bereits hier“, informierte Michael sie.
„Und was ist danach?“
„Darum kümmere ich mich, wenn es so weit ist.“
„Das neue Schuljahr beginnt im September. Ordnung und Disziplin würden dem Kind guttun.“
„Das ‚Kind‘ hat einen Namen“, erinnerte er sie.
„Der völlig unpassend ist für eine Prinzessin“, bemerkte seine Mutter spitz.
„Deine Meinung hierzu hast du hinreichend kundgetan.“
„Zurück zum Thema: Das Internatsleben würde Riley gut bekommen, und sie würde dir nicht länger zur Last fallen.“
„Das tut sie nicht! Sag das nie wieder.“
„So war das nicht gemeint. Allerdings scheint dir die Verantwortung für sie gelegentlich über den Kopf zu wachsen.“
Damit hatte sie ins Schwarze getroffen, mehr, als sie ahnte. Gleichzeitig war Riley seine größte Freude, der Lichtblick in seinem Leben. „Falls ich meine Meinung je ändern sollte, gebe ich dir Bescheid.“
„Ich glaube wirklich, dass es das Beste für das … für Riley wäre. Und für dich. Bis bald.“
Noch ehe Michael sich verabschieden konnte, hatte seine Mutter aufgelegt.
Seufzend legte auch er auf und ging um den Schreibtisch herum. Erst jetzt bemerkte er die Gestalt, die in dem großen Ohrensessel vor dem Kamin saß.
„Es tut mir schrecklich leid, Königliche Hoheit.“ Hastig stand Hannah auf. „Ich wollte mich bemerkbar machen, aber dann hat das Telefon geklingelt, und ungesehen davonstehlen konnte ich mich auch nicht.“
„Schon gut.“ Er winkte ab.
„Belauschen wollte ich Sie wirklich nicht, aber ich bin froh, dass Sie Riley nicht aufs Internat schicken.“
„Wie kann meine Mutter nur glauben, ich würde das überhaupt in Erwägung ziehen?“
Da Hannah nur eine Hälfte des Gesprächs mitgehört hatte, erklärte er rasch: „Uns verbindet keine traditionelle Mutter-Kind-Beziehung.“ Zwischen ihnen herrschte eher Gleichgültigkeit als Zuneigung, besonders seit Samanthas Tod. Elena respektierte keine Grenzen und traute ihren Kindern keine eigenen Entscheidungen zu. Sie hatte sich in seine Ehe eingemischt und seiner Frau eingeredet, dass es ihre Pflicht sei, für Nachkommen zu sorgen – was diese das Leben gekostet hatte.
„Sie wollte Riley wirklich auf ein Internat in der Schweiz schicken, obwohl sie noch so klein ist?“ Hannah konnte es nicht fassen.
„Meine Mutter hält es für unpassend, wenn Eltern ihre Kinder selbst erziehen.“
Einen Augenblick lang dachte sie über seine Worte nach. „Sind Sie auch aufs Internat gegangen?“
Er nickte. „Wie mein Bruder und meine Schwester, allerdings erst ab der Oberstufe.“
„Das Leben wäre einfacher für Sie, wenn Riley aufs Internat ginge“, dachte sie laut.
„Nein“, widersprach er vehement. „Nichts könnte mir schwerer fallen.“
Das Gespräch mit Prinz Michael hatte Hannah überraschende Einblicke in seinen Charakter gewährt. Sie hätte gern gründlicher darüber nachgedacht, fand jedoch keine Gelegenheit dazu. Im Lauf der nächsten Tage bemühte sie sich um Geduld und Verständnis der Prinzessin gegenüber, doch nichts, was sie sagte oder tat, vermochte deren Einstellung ihr gegenüber zum Positiven zu verändern.
Am Samstagnachmittag nach Unterrichtsende beschloss sie, mit ihr an den Strand zu gehen. Bereits am Vortag hatte sie in der Stadt Eimer, Schaufeln und anderes Sandspielzeug besorgt. Jetzt wartete sie gespannt auf Rileys Reaktion – die alles andere als begeistert ausfiel.
„Ich mag keinen Sand“, teilte die Prinzessin ihr mürrisch mit. „Und mir wird in der Sonne schrecklich heiß.“
„Nach dem Spielen können wir uns im Meer abkühlen.“
„Du kannst mich nicht zwingen mitzukommen.“ Trotzig
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