Romana Extra Band 6
hatte.
Er hatte geheiratet, ohne sie einzuladen oder ihr auch nur vorab Gelegenheit zu bieten, seine neue Frau kennenzulernen.
Rasch verdrängte sie jeden Gedanken an ihn, zwang sich zu lächeln und ging ins Kinderzimmer. Riley sah ihr missmutig entgegen, ihre Lippen bebten.
„Brigitte soll kommen“, forderte sie.
„Vielleicht kann ich dir helfen?“
Störrisch schüttelte die Kleine den Kopf. „Du bist schuld!“
„Woran?“
„Dass mein Bett nass ist.“
Erst jetzt merkte Hannah, dass Riley sich umgezogen hatte. Das Kleid vom Vormittag lag auf dem Boden, auf dem Laken im Bett entdeckte sie einen feuchten Fleck.
„Das kann passieren“, stellte sie sachlich fest und schlug die Decke zurück, um das Bett abzuziehen.
„Es war dein Fehler. Du musst mich um fünfzehn Uhr dreißig wecken. Das ist, wenn der große Zeiger auf der Sechs steht und der kleine zwischen drei und vier. Jetzt ist es schon vier.“
Dass Riley die Uhr lesen konnte, überraschte Hannah. Die kommenden zwei Monate würden sie vermutlich vor größere Herausforderungen stellen als gedacht.
„Brigitte hat mich immer pünktlich geweckt“, warf Riley ihr vor, den Tränen nahe.
„Dass du sie vermisst, ist verständlich. Trotzdem können wir Freundinnen werden.“
„Du bist nicht meine Freundin, ich hasse dich.“
Obwohl sie wusste, dass sie die Zurückweisung nicht persönlich nehmen durfte, traten Hannah Tränen in die Augen. Riley war nur ein kleines Kind. Das durfte sie über ihren sprachlichen Fähigkeiten und ihrem altklugen Auftreten nicht vergessen. Zu gern hätte sie die kleine Prinzessin getröstet. Wie weh es tat, sich im Stich gelassen zu fühlen, hatte ihr die E-Mail ihres Vaters gezeigt.
„Was ist hier los?“, ließ sich im nächsten Moment eine vertraute Männerstimme von der Tür her vernehmen.
Riley lief zu ihrem Vater und warf sich ihm schluchzend in die Arme. Er hob sie hoch. „Wieso weinst du?“
„Ich will zu Brigitte.“ Sie legte ihm die Arme um den Nacken und barg das Gesicht an seinem Hals.
Die Stirn gerunzelt, sah er Hannah an, als wäre sie verantwortlich für die Tränen seiner Tochter.
„Sie fühlt sich alleingelassen“, erklärte sie rasch. Obwohl sie Riley noch nicht gut kannte, verstand Hannah, was in ihr vorging. „Sie ist in einem fremden Zimmer aufgewacht, und dann ist auch noch eine Fremde zu ihr gekommen.“
Beruhigend streichelte der Prinz seiner Tochter den Rücken. „Sie wird sich bald an die neue Umgebung und an Sie gewöhnen.“
Hoffentlich, dachte Hannah, aber einfach wird es nicht. „Das denke ich auch“, erwiderte sie. „Bis dahin sind Sie die einzige Konstante in ihrem Leben.“
„Ich arbeite nur eine Etage tiefer.“
„Hinter geschlossenen Türen.“
„Hätte ich keine anderweitigen Pflichten, hätte ich Sie nicht engagiert.“ Riley hatte sich inzwischen beruhigt, und er setzte sie wieder ab.
Gern hätte Hannah ihn gefragt, was ihm wichtiger war: seine Firma oder seine Tochter. Andererseits durfte sie nicht automatisch voraussetzen, dass er sich nichts aus ihr machte, nur weil er sich um sein Geschäft kümmerte.
„Verzeihung, Sie haben natürlich recht“, räumte sie ein. „Ich wünschte nur, sie hätte es nicht ganz so schwer.“
„Leicht macht sie es Ihnen auch nicht gerade“, gestand ihr Prinz Michael zu.
Hannah hatte nicht damit gerechnet, dass es ihm auffiel, und noch weniger, dass er es erwähnte.
„Herausforderungen scheue ich nicht. Jugendlichen Shakespeares Werke nahezubringen, ist auch kein Zuckerschlecken.“ Dann wandte sie sich praktischen Dingen zu. „Sie können mir nicht zufällig sagen, wo ich frische Wäsche finde?“
„Darum kann Caridad sich kümmern.“
„Das ist nicht nötig, wenn Sie mir verraten, wo der Wäscheschrank ist.“ Endlich sah sie eine Möglichkeit, sich nützlich zu machen.
In diesem Moment erwähnte Riley: „Ich brauche Blumen für den Kunstunterricht.“
„Zeig Hannah den Garten, dort könnt ihr welche pflücken“, schlug ihr Vater vor.
„Kannst du nicht mitkommen?“
„Tut mir leid, Schatz. Ich muss vor dem Abendessen noch ein wichtiges Projekt fertigstellen.“
Seufzend wandte Riley sich an Hannah. „Weißt du, wie Freesien aussehen?“
„Sicher, das sind meine Lieblingsblumen.“
Als Michael abends ins Büro ging, klingelte das Telefon auf seinem Schreibtisch. Damit das Läuten Riley nicht weckte, hob er rasch den Hörer ab, ohne auf das Display zu achten – ein Fehler.
„Ich habe gute
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