Romana Gold Band 11
nicht widerspiegelte. Ihre Blicke trafen sich. Der Ausdruck in Jamseys Augen erinnerte Ron an ein einsames, verängstigtes Kind. Plötzlich verstand er, warum sie sich so nach Sicherheit sehnte, und er verfluchte seine Ungeschicklichkeit. Warum hatte er ihr nicht erklärt, dass … Doch als er sie ansah, fand er nicht die richtigen Worte.
„Es ist nicht so wichtig“, sagte er kurz angebunden und drehte ihr den Rücken zu, bevor sie seine Miene deuten konnte.
Jamsey ging schweren Herzens zur Bibliothek, um Sam zu suchen. Es war alles so kompliziert. Würde es Susan nicht geben, und wäre ihr, Jamseys, Name nicht McDonald, und wäre sie für das Leben hier nicht völlig ungeeignet – sie mochte ja nicht einmal Porridge –, dann hätten sie und Ron vielleicht eine Chance haben können.
Sie seufzte. Wollte sie Ron? Körperliche Anziehung war keine ausreichende Grundlage für ein gemeinsames Leben. Sie schüttelte den Kopf. Es war sinnlos, sich über Dinge, die nie geschehen würden, Gedanken zu machen.
Als sie die Tür zur Bibliothek öffnete, atmete sie überrascht tief ein. Außer in einer öffentlichen Bücherei hatte sie noch nie so viele Bücher an einem Ort gesehen. An allen vier Wänden befanden sich Regale, die vom Boden bis zur Decke mit Büchern vollgestopft waren. Jamsey fühlte sich wie im Paradies.
Sam hob den Kopf, als sie hereinkam, und lächelte sie jungenhaft an.
„Hallo, wo sind Sie gewesen?“ Er wartete ihre Antwort nicht ab. „Ich glaube, ich habe gefunden, wonach wir gesucht haben – ein Tagebuch“, fuhr er begeistert fort und hielt ein altes, mit grünem Leder bezogenes Buch in die Höhe.
„Lassen Sie mich sehen“, rief Jamsey und nahm es vorsichtig in die Hand.
„Es war gut versteckt. Ich habe es nur durch Zufall entdeckt“, erklärte Sam. „Vielleicht finden wir darin des Rätsels Lösung.“
„Durch Zufall?“, erkundigte sich Jamsey und schlug behutsam die erste Seite auf. Das Papier war alt und vergilbt und strömte einen muffigen Geruch aus.
„Ron hat mir eine große Kiste mit alten Papieren, Landkarten und Manuskripten gebracht. Ganz unten fand ich das“, antwortete er und zeigte auf das Tagebuch.
„Wusste er davon?“, fragte Jamsey. Rons Bereitschaft zu helfen, verblüffte sie. Sam zuckte die Schultern.
„Wer weiß? Aber ich bezweifle es. Ein Stewart würde davon nichts wissen wollen“, sagte er geheimnisvoll.
„Warum? Was meinen Sie damit?“
„Die Stewarts und die McDonalds konnten sich nie besonders leiden. Solange es die Sippen gibt, bestand Rivalität zwischen den beiden Familien. Doch hier schreibt die kleine Heather Stewart Seite um Seite von ihrer Liebe zu Duncan McDonald.“
Jamsey schloss die Hand um das kleine grüne Buch und hielt es fast ehrfürchtig fest.
„Arme Heather“, sagte sie leise. „Es klingt wie die Geschichte von Romeo und Julia.“
„Ohne die Balkonszene“, erwiderte Sam ungerührt. Als Geschichtswissenschaftler hatte er keinen Sinn für die Romantik dieser Liebesgeschichte. „Lesen Sie bitte das Tagebuch gründlich durch, und achten Sie auf alles, das uns einen Hinweis darauf geben könnte, was mit Duncan geschehen ist.“
Es war sehr mühsam. Natürlich rechnete niemand damit, dass sein Tagebuch von jemandem gelesen wurde. Die Schrift war undeutlich, und Heather hatte ständig Abkürzungen verwendet, deren Bedeutung nur sie verstanden hatte. Doch je länger sich Jamsey mit den Aufzeichnungen beschäftigte, desto leichter fiel es ihr, sie zu entziffern. Das Papier war vergilbt und die Tinte an einigen Stellen verblasst. Heathers traurige Geschichte war tragisch: Sie war einem Mann versprochen worden, der zwanzig Jahre älter war und für den sie keine Zuneigung aufbringen konnte. Sie liebte Duncan McDonald, doch kein Mitglied der beiden Familien würde diese Verbindung je dulden. Sie hatten sich heimlich getroffen, denn sie fühlten sich so zueinander hingezogen, dass sie nicht ohne einander sein konnten. Jamsey verstand dieses Gefühl nur zu gut, und ihr Herz klopfte schneller, während sie von der verzweifelten Liebe der beiden und ihrem Schmerz las.
„Hören Sie sich das an!“, rief sie aufgeregt und las laut die letzten, hastig hingeworfenen Zeilen des Tagebuchs vor. Die Eintragung verriet deutlich die Qual der Verfasserin. Heather hatte Duncan an diesem Abend nicht treffen können, denn als sie zum geheimen Treffpunkt gegangen war, hatte sie plötzlich die Stimme ihres Vaters gehört. Sie war in Panik
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