Romana Gold Band 11
gesessen. Die Temperatur des Mädchens war noch immer besorgniserregend, doch Stella war eine wundervolle Gesellschafterin gewesen. Sie hatte Isabel versichert, dass die vom Doktor verordneten Medikamente helfen würden. Abzuwarten blieb, wie lange es dauerte, bis sie wirkten. Es gab keinen Grund zu unnötiger Sorge.
Sie wusste, dass dies stimmte. Dennoch machte sie sich schreckliche Sorgen. Sie wusste nicht, wie Cory an den See gekommen war. Und über die Konsequenzen mochte sie gar nicht erst nachdenken.
Sie wusste auch, dass sie Mrs Jacobson anzurufen hatte. Edwards Mutter musste erfahren, dass ihre Enkelin einen Unfall gehabt hatte. Der bloße Gedanke daran war entmutigend. Die Frau würde den nächsten Zug nach Schottland nehmen und sie mit den bekannten Beschuldigungen überhäufen.
Sie wünschte sich, die Auseinandersetzung mit ihrer Schwiegermutter Brian überlassen zu können. Der ging solche Dinge anders an. Mrs Jacobson war auf ihre Weise ebenso snobistisch wie Clare. Wenn Brian sie auf das Schloss einlud, würde sie vielleicht sogar über Isabels Unzulänglichkeiten hinwegsehen.
Aber dieser Gedanke war verrückt, dachte sie. Sie konnte sich nicht bei jeder Kleinigkeit auf Brian verlassen. Vielleicht hatte seine Mutter ja recht. Vielleicht vermittelte sie den Eindruck, dass sie seine Hilfe brauchte.
Während sie die Vorhänge aufzog, überlegte sie, was Stella Fuller über ihre Beziehung denken musste. Sie war ungewöhnlich, und für jemand, der vor den Lindsays eine gewisse Achtung haben sollte … sonderbar. Sie konnte sich vorstellen, was Stella denken musste.
Dennoch hatte sie Cory nicht verlassen wollen. Und deshalb hatte sie sich Brian gegenüber so abweisend verhalten. Sie hatte weder den Tee noch die Sandwiches angerührt, die auf ihr Zimmer gebracht worden waren. Als sie jetzt das Tablett ansah, musste sie eingestehen, dass ihre Geste wahrscheinlich nichts erreicht hatte.
Sie warf einen kurzen Blick auf den See, bevor sie ins Bad ging. Dort fand sie zu ihrer Erleichterung Bürste und Kamm. Nachdem sie Gesicht und Hände gewaschen hatte, frisierte sie sich. Am Zustand ihrer Kleidung konnte sie nichts ändern, doch sah sie wenigstens etwas frischer aus. Sie hoffte nur, dass sie der verwitweten Countess nicht begegnen würde. Irgendwie wusste sie, dass das nicht gut wäre.
„Kaffee, Mylord?“
Brian öffnete ein Auge und überlegte, warum Cummins wie eine beutegierige Krähe über ihm lauerte. Sein Kopf schmerzte, und als er sich zu bewegen versuchte, schoss ein stechender Schmerz durch seinen Rücken. Er fühlte sich steif und war nicht in bester Stimmung.
Er grunzte, was Cummins als Zeichen dafür wertete, dass er ihn nicht verstanden hatte. „Ich fragte, ob Sie Kaffee wollen, Mylord“, wiederholte er geduldig. „Es ist erst Viertel nach acht, doch Sie wollten gewiss wissen, dass es Miss Jacobson heute Morgen ein wenig besser geht.“
Miss Jacobson. Isabel! Nein, Cory.
Brian richtete sich auf und merkte, dass er in dem Ledersessel hinter seinem Schreibtisch saß. Das war Ursache für seine Kopfschmerzen und die schmerzenden Glieder.
„Danke“, sagte er jetzt und überlegte, warum Cummins nicht einfach das Tablett absetzte und ging. Der alte Mann kannte ihn schließlich.
„Ja, Mylord.“ Cummins stellte das Tablett ab und verneigte sich. „Danke, Mylord.“
Brian richtete sich auf. Die Tatsache, dass Cummins noch immer da war, sprach Bände, und bevor er zu der Kaffeetasse griff, sagte er: „Nun?“
Cummins hüstelte. „Ist alles zu Ihrer Zufriedenheit, Mylord?“ Brian unterdrückte einen Fluch.
„Alles bestens“, sagte er dann aber. „Mir geht es gut, und ich bin völlig nüchtern. Sagen Sie der Lady, dass ich bald zu ihr an den Frühstückstisch kommen werde. Also keine Sorge.“
„Ich sorge mich nicht, Mylord“, erwiderte Cummins steif. „Ich dachte nur, Sie würden vielleicht wissen wollen, dass die Countess im Augenblick die Patientin besucht und zurzeit mit Schwester Fuller die Möglichkeit diskutiert, ob man die Behandlung in Miss Jacobsons Heim fortsetzen könne …“
Brian rappelte sich auf. „Warum haben Sie mir das nicht gleich gesagt?“ Er fluchte wieder. „Seit wann macht meine Mutter Hausbesuche bei Patienten, die sie gar nicht haben will?“
„Deshalb bin ich hier, Mylord“, erwiderte Cummins mit gesenktem Kopf. „Ich wollte es Ihnen sofort berichten.“
„Richtig.“ Brian schaute den alten Mann reuig an. „Und ich bin undankbar …“
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