Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)
der Weltgeschichte.
Ein Schauspieler wie Heiner Lauterbach protzt in seinen Memoiren mit seinem Drogenkonsum. Mit seinem Rassismus aber kann hierzulande niemand so offen angeben. Antisemitismus und Rassismus bilden in der deutschen Meinungskultur eine Sonderzone. Beides ist, zumindest in den tonangebenden Kreisen, gesellschaftlich geächtet wie anderswo Abbildungen des Propheten Mohammed.
In diesen Meinungstabus bildet sich das schlechte Gewissen unserer Gesellschaft ab. Konservative klagen gerne darüber, dass man bei uns jederzeit über das Christentum spotten darf, Schwulenwitze dagegen seien verpönt. Ist das wirklich so schwer zu verstehen? Vor ein paar Jahrzehnten wurden in Deutschland Homosexuelle umgebracht, die Kirchen dagegen hatten bis vor ein paar Jahrzehnten die Macht, Filme aus Kinos zu verbannen und die Sexualgesetzgebung zu dominieren.
Die Verfolgten von gestern beanspruchen, für eine gewisse Zeit, eine Schutzzone. Die Mächtigen von gestern, die heute immer noch eine gewisse Macht besitzen, müssen sich Spott gefallen lassen.
Der Islam muss bei uns, wie das Christentum, ohne den Bonus des schlechten Gewissens auskommen. Es stimmt: Einige der dänischen Karikaturen, über die man sich in der islamischen Welt aufregte, wären in keinem seriösen Medium gedrucktworden, wenn sie Schwarze oder Juden gezeigt hätten. Die gleichen oder noch bösartigere Zeichnungen wären allerdings ohne weiteres druckbar, wenn sie zum Beispiel einen Erzbischof zeigen. In den westlichen Islamkarikaturen ist auch ein Rest von Unschuld erkennbar, das Bewusstsein, sich gegenseitig in den letzten Jahrzehnten keine monströsen Verbrechen angetan zu haben, keine millionenfachen Verbrechen vom Kaliber der Sklaverei oder des organisierten Völkermords der Nazis.
Bekenntnisse zur Meinungsfreiheit sind aber nur dann etwas wert, wenn sie auch für diejenigen gelten, für die wir keine Sympathie aufbringen, für Fundamentalisten, für Rechte, für Sektierer, solange sie nicht mit Gewalt drohen. Nicht alles muss überall gedruckt werden, aber fast alles muss druckbar sein. Erst wenn die Linken einmal geschlossen für die Rechten aufstehen oder umgekehrt, sind Thomas Paine und Voltaire wirklich verstanden worden.
Mein Land
Wenn deutsche Rechtsradikale über Deutschland sprechen, dann ist, wie bei allen Nationalisten, das Ausland an allem Unglück schuld. Das Ausland möchte uns zum Beispiel in einer ewigen Schuldknechtschaft halten. Das Gegenteil ist richtig. Niemand oder fast niemand kommt auf die Idee, den heutigen Deutschen ihr Blut vorzuwerfen, ihre Rasse, ihre Vorfahren, außer vielleicht englische Boulevardzeitungen. Es kommt nicht von außen, es steckt in uns drin. Die unermüdlich anklagende Stimme des Auslandes, von der die Rechte spricht, ist in Wirklichkeit die Stimme ihres eigenen Unterbewusstseins.
Kein Mensch meiner Generation, der über einen Funken Verstand verfügt, freut sich darüber, ausgerechnet als Deutscher geboren zu sein. Das unterscheidet dieses Land von den meisten anderen. Mit dem Deutschsein muss man sich erst einmal arrangieren, man macht sich automatisch irgendwann Gedanken darüber. Deutsch zu sein ist so ähnlich, als ob man zwei verschiedenfarbige Augen hat oder als Baby adoptiert wurde. Es ist okay. Aber niemand würde seinen Schöpfer vorher ausdrücklich darum bitten.
Viele tragen ein System der Selbstüberprüfung in sich, ein Grundmisstrauen, das sich in der Frage äußert, ob man einen bestimmten Satz als Deutscher sagen, einen bestimmten Gedanken als Deutscher denken dürfe, so, als ob es da einen Unterschiedgäbe zwischen uns und den anderen, als ob es Sätze gäbe, deren Grad an Dummheit oder Menschenfeindlichkeit oder Intelligenz in irgendeiner Weise von der Nationalität des Sprechers abhängig wäre.
Wir sind ein Volk, dass, manchmal sich selber gegenüber rassistisch ist. Die Zuschreibung unveränderlicher negativer Eigenschaften, die nicht zum Individuum gehören, sondern zu seiner Abstammung, das ist doch wohl Rassismus. Der antideutsche Rassismus, und natürlich nur der, ist bei uns in fast allen Milieus hoffähig. Wer über eine bestimmte, als negativ empfundene Eigenschaft sagt, sie sei »typisch deutsch«, kann auf einer deutschen Party nichts falsch machen. Muss man wirklich, um ein guter Deutscher zu sein, alles Deutsche verachten?
Ich beklage mich nicht. Ich mag dieses Land, in dem Zustand, in dem es sich befindet. Die Schizophrenie, der Selbsthass, der Selbstzweifel,
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