Romanzo criminale
machen sollten. Er war zwar immer loyal gewesen, aber andererseits konnte man auch nicht verlangen, dass er weiterhin Geschäfte mit den Mördern seines Bruders machte. Freddo besuchte ihn zwei Tage nach dem Begräbnis und sprach ganz offen mit ihm.
– Dandi ist schon sauer auf dich. Nimm deinen Teil und zieh dich zurück. Wenn du willst, bringe ich morgen persönlich das Geld.
Carlo spuckte ihm ins Gesicht und schimpfte ihn einen Verräter. Zwei Tage später kassierte Carlo das Geld, das ihm zustand, und kaufte seiner Frau und der Witwe seines Bruders Friseurläden im Giardinetti-Viertel.
II.
Bufalos Gutachten zog sich nun seit zwei Jahren hin und es gab noch immer kein Resultat. Trentadenari war zu Professor Cortina gegangen, um der Sache auf die Sprünge zu helfen, doch der versetzte ihn in Panik.
– Einen der beiden Gutachter hab ich in der Hand, aber mit dem anderen ist nichts zu machen.
– Was bedeutet das?
– Mit etwas Glück bescheinigen sie ihm verminderte Zurechnungsfähigkeit ...
– Das heißt?
– Zwanzig Jahre Zuchthaus und fünf Irrenhaus ... mindestens.
– Professor, wenn sie das Bufalo sagen, bringt er uns alle um!
– Was soll ich tun? Der Kollege gibt nicht nach ...
– Vielleicht könnte man etwas nachhelfen?
– Um Himmels willen, der ist nicht korrumpierbar ...
– Na und? Wo liegt dann das Problem?
– Er hat Angst?
– Wovor?
– So zu enden wie Cervellone.
– Das war einmal. Wir sind anders ...
– Erklären Sie das dem Kollegen?
Sie befanden sich in einer Sackgasse. Trentadenari und Freddo statteten dem „guten Freund“ des Richters, der bereits zwanzig Riesen kassiert hatte und sich am Telefon verleugnen ließ, einen Besuch ab. Um zur Audienz vorgelassen zu werden, traten sie die Tür zum Büro ein, und um ihm klarzumachen, wie sauer sie waren, hängten sie ihn an die Garderobe, traktierten ihn eine Viertelstunde mit Ohrfeigen und spuckten ihn an. Es stellte sich heraus, dass er nur ein Mittelsmann war. Um die Sache unter Dach und Fach zu bringen, müsse man mit dem sprechen, der direkt damit befasst war, „einem äußerst mächtigen Gerichtsbeamten“, von dem alles abhinge. Gesagt, getan. Freddo und Trentadenari setzten den „guten Freund“ ins Auto und fuhren mit ihm zum Piazzale Clodio. Am Eingang zum Gericht trafen sie Richter Borgia samt seiner Eskorte. Von allen, auch vom bibbernden Mittelsmann, wurden die Personalien aufgenommen.
Es stellte sich heraus, dass der „äußerst mächtige Beamte“ ein alter Kanzleibeamter war. Während sie in dem großen, prunkvollen Büro, in dem sie empfangen wurden, Originalgemälde und Teppiche bewunderten, musste Freddo an die klösterliche Schlichtheit von Borgias Kämmerchen denken. Wenn Einfluss und Macht in direktem Verhältnis zu Prunk standen, hatten sie nichts mehr zu befürchten. Das waren absonderliche Gedanken, aber Freddo ließ sich davon einlullen und kümmerte sich nicht weiter um die Verhandlungen, die Trentadenari lächelnd und händeschüttelnd führte. Sie verließen das Büro mit einer Liste von Forderungen, die sie augenblicklich Dandi weitergaben. Dandi reagierte sauer.
– Eine Rolex ... eine antike Marmorbüste ... zwei oder drei Pelze ... ein lederbezogener Schreibtisch ... ein antiquarischer Spiegel ... was ist in den gefahren? Und wer garantiert uns, dass er uns nicht bescheißt?
Aber fürs Erste konnte man gar nichts tun. Solange das Abkommen bestand, musste er zahlen.
Außerdem hatte Dandi in diesen Tagen alle Hände voll damit zu tun, das Attentat auf Secco zu klären. Es hatte sich herausgestellt, dass für die Bombe ein Sprengstoff auf Basis von Schießpulver und Dynamit verwendet worden war. Auf Trentadenaris Aufforderung hin hatte der unbezahlbare Fabio Santini ein paar Polizeiberichte besorgt, aus denen hervorging, dass der Sprengstoff aus einem Bestand stammte, der ein paar Wochen zuvor aus einem Steinbruch gestohlen worden war. Nun, der Steinbruch befand sich in Nercios Zone. Dandi bat Nercio, der Sache auf den Grund zu gehen. Nach einer Weile rief er ihn zu sich. Dandi mochte Nercio. Er war jünger als er, entschlossen und wortkarg. Wie Freddo in seinen besten Zeiten, bevor die Paranoia sein Hirn eingedampft hatte. Nercio erzählte, dass die Anzeige wegen Diebstahls gefälscht und der Besitzer des Steinbruchs den Sprengstoff auf dem Schwarzmarkt verkaufte. Rote und Schwarze zählen gleichermaßen zu seinen Kunden, Haie und kleine Fische. Die Anzeige stimmte zeitlich mit einem
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