Romeo für immer, Band 02
zuverlässiger Botschafterquelle weiß, nämlich dass Gemma und ihr Seelenverwandter Mike in Sicherheit sind. Sie sind wahnsinnig verliebt ineinander und es geht ihnen gut. »Ich wette, sie ist mit einem tollen Typen durchgebrannt und mit ihm auf dem Weg in ein glückliches Leben.«
»Gut möglich.« Jetzt nimmt sie einen tiefen Schluck und stellt die Flasche zwischen uns auf die Holzbohlen. »Redest du mit deinen Freunden eigentlich genauso?«
»Wie rede ich denn?«
Sie zuckt die Achseln. »Ach, ich weiß nicht. Irgendwie hast du eine seltsame Wortwahl. Du sagst so altmodische Sachen.«
»Altmodisch? Findest du? In letzter Zeit lese ich gern Lyrik.«
Sie sieht mich erstaunt an, und ihre großen Augen werden noch viel größer. »Lyrik?«, fragt sie. Offensichtlich glaubt sie mir nicht. »Von wem den?«
»William Cullen Bryant, Sir Walter Raleigh«, zähle ich auf und werfe mit Namen um mich, die mir als Erstes in den Sinn kommen. »Und natürlich Shakespeare. Sonett 138 gefällt mir besonders gut. ›Darum belüg’ ich sie, belügt sie mich, und unsre Lügensünden schmeicheln sich ‹«, rezitiere ich genüsslich Wort für Wort und bin selbst überrascht, wie gut ich mich erinnere. »Ich habe Shakespeares Zeilen an die ›Dark Lady‹, seine ›Dunkle Geliebte‹, immer sehr gemocht«, erkläre ich.
»Ich liebe Shakespeares Sonette!«, schwärmt sie. »Ich mag alles von Shakespeare, aber seine Sonette liebe ich.«
»Ich auch.«
»Kaum zu glauben.«
»Es stimmt aber, ob du es nun glaubst oder nicht«, entgegne ich und schiebe mich heimlich näher an sie heran, während sie noch einen Schluck aus der Flasche nimmt. Wahrscheinlich sollte ich mich mehr darum bemühen, wie Dylan zu sein, aber Dylan ist ein oberflächlicher, brutaler Kerl; er ist ungefähr so verführerisch wie ein dampfender Misthaufen. Was Ariel an ihm gefällt, ist sein gutes Aussehen, aber um ihr Herz zu erobern, werde ich mehr brauchen als nur ein hübsches Gesicht. Witz, Geist und Verstand und vor allem Charme werden dazu nötig sein. Was schwierig werden dürfte, wenn ich mich ausschließlich an Dylans Charaktereigenschaften orientieren würde.
Außerdem lautete der Befehl der Amme ja nicht, so gut wie möglich Dylan Strouds Persönlichkeit widerzuspiegeln, sondern Ariel den Glauben an die Liebe zurückzugeben. Der Amme Wunsch sei mir Befehl. Wie käme ich dazu, mich über meine Pflicht zu erheben?
»Fühlst du dich abgestoßen von meiner Schwärmerei für die Dichtkunst?«, frage ich, obwohl ich genau weiß, dass ich soeben auf dem Feld der Romantik ziemlich gut gepunktet habe.
»Nein, überhaupt nicht.« Sie versucht vergeblich, ihre Begeisterung zu verbergen, indem sie noch einen Schluck Wein trinkt. Ich grinse und greife zu, als sie mir die Flasche hinhält. »Ich frage mich nur, was deine Freunde dazu sagen würden.«
»Meine Freunde sind Idioten.« Ich setze die Flasche an die Lippen und bin überrascht, wie leicht sie ist. Ariel muss in ziemlich großen Zügen genippt haben.
Ich überlege, ob ich ihr hätte sagen sollen, dass Portwein stärker ist als Tischwein, aber dann komme ich zu dem Schluss, dass mir eine angeheiterte Ariel die Sache leichter macht. Je entspannter sie ist, desto besser kann ich ihre Abwehr durchbrechen. »Aber ich glaube, du verstehst, was ich eigentlich sagen wollte. Ich bin sicher, dass es Gemma gut geht. Sie verbringt ihre Nächte wahrscheinlich nicht alleine.«
»Möglich.«
Ich lache. »Wir wissen doch beide, wie leicht es ihr fällt, Gesellschaft zu finden.«
Ariels Augen verengen sich zu schmalen Schlitzen. »Was willst du damit andeuten?«
»Nichts.« Ich werde doch nicht so dumm sein, auch nur ein einziges Wort über Dylans Erfahrungen mit Gemma zu verlieren. Dylans Erinnerung an seine »Beziehung« zu Gemma ist in dieser Realität dieselbe wie in der vorangegangenen. Die beiden hatten im Herbst etwas miteinander. Ariel ahnt nicht, dass ihre beste Freundin schon mehrmals in Dylan Strouds unaufgeräumtem Zimmer war und dort das Bett mit ihm geteilt hat. Also werde ich schön meinen Mund halten.
»Oh doch, du wolltest sehr wohl etwas damit andeuten.« Sie lässt nicht locker.
Ich ziehe sie fester an mich. »Gemma hat einen gewissen Ruf«, erkläre ich sanft. »Das weißt du.«
Sie wendet mir ihr Gesicht zu und entzieht sich gleichzeitig meiner Umarmung. »Wäre Gemma ein Junge, dann würde man ihren Ruf cool finden.«
»Es ist mir doch egal, ob sie cool ist oder nicht.« Ich verstehe
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