Romeo für immer, Band 02
»Lamentabel?«
»Bedauerlich, beklagenswert, traurig, wert, darüber zu lamentieren, es unter Heulen und Zähneklappern zu bejammern.« Ich lächle sie an und versuche, den Ernst der Situation zu überspielen.
»Ich weiß, was es bedeutet. Ich frage mich nur, wo du deinen Wortschatz die ganze Zeit über versteckt gehalten hast.«
»In meinen Boxershorts«, erkläre ich mit dümmlichem Grinsen. »Wenn du sie mich hättest ausziehen lassen, hättest du dich vorhin selbst davon überzeugen können.«
Ihr Lachen tanzt fröhlich durch die Nacht und lässt die Sterne heller strahlen. Ich bin überrascht, wie glücklich es klingt. Ich glaube, sie ist selbst überrascht. Sie holt tief Luft und schluckt ihr Lachen hinunter.
Das Verschwinden ihrer Fröhlichkeit lässt die Stille … tiefer und irgendwie leerer erscheinen.
»Tja … also … was ist denn nun?«, fragt sie spitz und schaut demonstrativ auf die Weinflasche in meiner Hand. »Trinkst du jetzt oder nicht?«
»Nur, wenn du mittrinkst.«
»Klar«, sagt sie und überrascht mich schon wieder. Nach ihrem Vortrag vorhin im Restaurant hätte ich damit gerechnet, dass sie sich ziert.
Ich ziehe den Schlüssel aus der Hosentasche. »Na gut. Soll ich fahren, während du trinkst?«
»Nein. Wir sollten nicht im Auto trinken. Ich weiß, wo wir hingehen können. Da ist um diese Zeit niemand«, erklärt sie und fügt hastig hinzu: »Aber es stehen Häuser in der Nähe. Man kann jedes Wort hören, wenn wir nicht leise sind.«
»Gut.« Ich nicke nachdenklich. »Das bedeutet, wenn du versuchen solltest, die Situation auszunutzen, kann man mich hören, wenn ich schreie.«
»Ha, ha. Sehr komisch!« Ihr Grinsen ist argwöhnisch und skeptisch, aber es ist ein Grinsen.
»Nach ein paar Schlucken Wein bin ich noch viel komischer.«
Sie wirft den Kopf zurück und zuckt übermütig die Schultern. »Das werden wir ja sehen.«
Ich folge ihr über die Straße, sie führt mich weg von der Hauptstraße. Die Antiquitätengeschäfte und Gaslaternen verschwinden und machen gewöhnlichen Straßenlampen und Häusern unterschiedlichster Baustile Platz. Wir gehen vorbei an sorgfältig restaurierten alten Villen aus viktorianischer Zeit, baufälligen Bruchbuden, in deren Vorgärten Kinderspielzeug achtlos herumliegt, und an einem Bungalow, vor dem aus einem Blumenbeet Metallskulpturen zu sprießen scheinen. Nach ein paar Minuten wendet sie sich nach links, und wir steigen einen kleinen Hügel herauf. Auf der Hügelkuppe befindet sich ein von Maschendraht umzäunter Spielplatz, beleuchtet von einer einzigen Laterne. Ariel greift über das Tor und öffnet es von innen.
»Gemma und ich waren oft hier«, erklärt sie. »Nach Einbruch der Dunkelheit ist hier niemand.«
»Es ist perfekt«, stelle ich fest und genehmige mir einen Schluck aus der Flasche, während wir über den knirschenden Kies zu den Spielplatzgeräten gehen. »Ah, süß und stark.«
Ariel klettert die Stufen einer Rutsche hoch, deren Überdachung die Form einer Rakete hat. Oben lässt sie sich auf dem Holzpodest der Rutsche nieder. Ich setze mich neben sie und reiche ihr die Weinflasche. Während sie zaghaft an der Flasche nippt, studiere ich ihr Profil.
»Wow!« Blitzschnell fängt sie mit der Zunge einen Tropfen ein, der über den Flaschenhals entwischen will. »Der ist wirklich gut.«
»Gib es zu, Ariel! Du hast doch bestimmt schon einmal Wein getrunken. Gemmas Vater ist immerhin der Herr der Weinberge.« Ich erobere die Weinflasche zurück, setze an und nehme einen tiefen Schluck.
»Aber ich habe mich nie getraut, etwas zu trinken, wenn ich bei den Sloops zu Besuch war.«
»Warum nicht?«
»Gemmas Vater ist irgendwie … einschüchternd. Wenn Gemma bei mir zu Hause war und meine Mom Spätschicht hatte, dann haben Gemma und ich schon mal ein Glas Chardonnay aus dem Kühlschrank stibitzt. Aber der hat längst nicht so gut geschmeckt wie dieser hier.«
Ihre Stimme klingt plötzlich traurig. Es fällt mir nicht schwer, den Grund zu erraten. Ich setze eine betroffene Miene auf und probiere mein neu entdecktes Mitgefühl aus. »Du machst dir Sorgen um Gemma, stimmt’s?«
»Ja.« Sie nimmt die Flasche, trinkt aber nicht. »Manchmal denke ich, es geht ihr gut und sie ist nur weglaufen, um ihrem Dad eins auszuwischen. Aber eigentlich habe ich Angst, ihr könnte etwas zugestoßen sein.«
»Es geht ihr bestimmt gut.« Ich lege meinen Arm um ihre schmalen Schultern und wünschte, ich könne ihr sagen, was ich aus
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