Romeo für immer, Band 02
mich am Geländer festzuhalten, aber das ist durch die Wucht des Stoßes gar nicht so einfach. Meine Finger krampfen sich um das Geländer, und meine Muskeln zittern vor Anstrengung. Auf halber Höhe schaffe ich es und kann gerade noch verhindern, dass ich rückwärts zu Boden stürze.
Fluchend kämpfe ich um mein Gleichgewicht. Mein Herz hämmert in der Brust. Dieser unerwartete Moment der Schwäche lässt Panik in mir aufsteigen. Als Söldner habe ich übermenschliche Kräfte besessen. Ich konnte sogar die meisten Wunden des jeweiligen Körpers heilen, der mich gerade beherbergte. Ich weiß, dass die Bekehrten der Botschafter nicht so stark sind wie die Söldner, aber Julia hat sich in unseren Kämpfen immer wacker geschlagen. Sie war erheblich stärker als gewöhnliche Mädchen, doch selbst sie hätte mich niemals so umstoßen können.
Ich habe einen bitteren Geschmack im Mund. Die rothaarige Hexe hat mich reingelegt! Julias Amme hat mich ohne die Stärke eines Botschafters hierhergeschickt. Wie soll ich mich verteidigen? Wie soll ich mich wehren, wenn ich auf einen Söldner treffe? Sie werden am goldenen Licht meiner Aura erkennen, dass ich die Seite gewechselt habe, und nicht eher ruhen, bis sie mich vernichtet haben. Wie soll ich in diesem mickrigen menschlichen Körper gegen die unsterblichen Krieger der dunklen Macht kämpfen?
»Scheiße!« Wütend trete ich gegen die Stahltreppe. Zu spät fällt mir ein, dass ich Publikum habe, ein sehr zorniges Publikum.
»Wusste ich doch, dass du lügst.« Ariels Stimme zittert, in ihren Augen schimmern Tränen. »Ich habe es gewusst!«
»Nein. Du verstehst das falsch. Ich … «
»Ich verstehe das schon richtig!«, schreit sie. »Und ich hasse dich!«
»Bitte.« Ich hebe hilflos die Hände. »Hör doch, ich … «
»Nein. Ich werde dir nicht mehr zuhören. Und ich werde auch niemals … « Sie bricht abrupt ab, ihr Blick ist in die Ferne gerichtet. Was immer sie dort sieht, lässt sie bewegungslos verharren, wie ein Reh, dass Gefahr wittert. Sie ist sekundenlang völlig erstarrt, dann, mit einem Mal, krümmt sie sich zusammen wie ein brennendes Blatt.
Bevor ich mich umdrehen und nachsehen kann, was ihr solche Angst macht, bevor ich sie fragen kann, ob es ihr gut geht, stürzt sie sich die Rutsche hinunter. »Lauf mir bloß nicht nach!« Polternd rutscht sie über die Stahlfläche, springt unten auf und spurtet zum Ausgang, als wäre der Teufel persönlich hinter ihr her. Ich wirble herum und suche mit meinen Blicken den Spielplatz und die dahinterliegenden Straßen ab, aber da ist nichts. Niemand. Wir sind ganz allein.
Ich springe die Treppenstufen hinunter und renne ihr über den Spielplatz hinterher. »Warte, Ariel!«
»Du sollst mir nicht nachlaufen!«, schreit sie wieder und rennt über die dunkle Straße. Ein paar Häuser weiter bellt ein Hund. Ein Verandalicht geht an und beleuchtet die Straße. Ich jage ihr nach. Sie ist betrunken und sieht Dinge, die nicht da sind. Ich will nicht riskieren, dass sie überfahren wird. Ich brauche sie lebend und verliebt, verliebt in mich. Ich brauche sie …
Die Scheinwerfer eines am Straßenrand geparkten Autos blinken auf. Ich bremse mitten im Lauf ab und bleibe schlitternd stehen, hebe geblendet meine Arme zum Schutz vor dem gleißenden Licht und blinzle in die Scheinwerfer. Ich habe kein Auto kommen gehört, als ich mit Ariel auf dem Spielplatz war. Wer auch immer in diesem Wagen sitzt, er muss schon eine ganze Weile gewartet haben. Als sich die Autotür öffnet, mache ich mich auf eine Auseinandersetzung mit einem braven Bürger gefasst, der beobachtet hat, dass Ariel vor mir davonrennt, und natürlich jetzt vom Schlimmsten ausgeht.
Ich lasse meine Arme herunterhängen, um einen deprimierten Eindruck zu machen. Ich werde einfach behaupten, dass meine Freundin gerade erst von ihrer Schwangerschaft erfahren hat und wir uns darüber gestritten haben, ob sie das Baby zur Adoption freigeben soll oder nicht. Ich möchte das Kind gern behalten, aber sie findet, wir sind zu jung für ein Baby. Wie kann man denn dafür zu jung sein? , werde ich fragen. Kann man überhaupt zu jung sein, um ein Baby zu lieben?
Ich habe die Lüge schon auf den Lippen, als ich die schlanke Silhouette einer Frau wahrnehme, die um das Auto herumgeht und auf mich zukommt. Eine Frau, die ich kenne.
Ich bin fassungslos. »Was machst du denn hier?«
»Ich glaube, diese Frage sollte ich eigentlich dir stellen.« Julias Amme stemmt die Hände in
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