Romeo für immer, Band 02

Welt eine Rolle zu spielen.
    Aber auf die Fragen, die mich am meisten quälen, weiß ich immer noch keine Antwort: Was wird aus Ariel, wenn ich ihr nicht die Wahrheit sage? Oder ihr zumindest eine Version der Wahrheit erzähle? Was passiert, wenn Dylans Seele nach meinem Verschwinden wieder in seinen Körper zurückkehrt? Wie können die Botschafter annehmen, dass Ariel weiterhin an die Liebe glaubt, wenn derjenige, den sie liebt, plötzlich wieder gemein und bösartig ist?
    Natürlich wird Dylan einige meiner Erinnerungen an sie behalten, aber er wird Ariel nicht lieben. Ich gaukle ihr Liebe vor, weil ich meine Haut retten will. Doch welchen Grund sollte er haben, liebevoll zu ihr zu sein? Welche Geschichten wird er sich stattdessen ausdenken, um seine Erinnerungslücken zu füllen, die er haben wird, weil ein anderer seinen Körper bewohnt hat? Werden seine Geschichten Ariels Glauben an die Liebe zerstören?
    Oder wird ihr Glaube stark bleiben und schließlich die Söldner anlocken, die versuchen werden, Ariel zu vernichten, weil sie der dunklen Macht nicht mehr dienlich sein kann?
    Wen interessiert das schon? Die Söldner werden sie vielleicht umbringen, aber sie wird zumindest einen normalen Tod sterben. Das ist mehr, als du von dir behaupten kannst. Bewahre einen kühlen Kopf, sonst steckst du am Samstag noch vor Sonnenaufgang wieder in deinem verwesenden Körper.
    »Dylan?« Ariel rüttelt mich sanft am Arm. »Gehen wir frühstücken?«
    »Ja!«, antworte ich schroff. Dann wird mir klar, dass ich sie angeblafft habe, und ich schlage einen sanfteren Ton an. »Ja, unbedingt. Einen Schultag ohne Frühstück überlebe ich nicht.«
    »Gut.« Es klingt vorsichtig, sie ist auf der Hut. Zweifellos hat sie meine Verärgerung bemerkt. »Du bist gerade eben an der Crêperie vorbeigefahren, also … «
    »Dann lass uns doch auf einen Kaffee und ein Schokocroissant in die Windmühle gehen. Ich lade dich ein.« Ich lenke den Wagen in eine Parklücke ganz in der Nähe der Bäckerei.
    »Nein, diesmal möchte ich dich einladen. Du hast gestern und vorgestern schon alles bezahlt«, protestiert sie.
    Ich winke ab und steige aus, um ihr die Tür aufzuhalten. »Ich habe meinem Vater vierzig Dollar abgeknöpft.« Ich nehme ihren Arm und helfe ihr aus dem Auto. »Ich bin ein reicher Mann.«
    »Brauchst du denn dein Geld nicht zum Shoppen heute Nachmittag?« Sie trödelt auf dem Bürgersteig langsam neben mir her.
    »Keine Sorge. Ich habe alles im Griff.«
    Ich werde mich doch jetzt nicht durch solche Kleinigkeiten von meinem Ziel abbringen lassen. Ich muss dieses Mädchen dazu bringen, sich in mich zu verlieben. Sie muss mich so sehr lieben, dass sie sich nicht mehr von mir lösen kann. Genauso wenig, wie eine Fliege sich aus dem Netz einer Spinne befreien kann. Die Spinne lässt sich ja auch nicht aus Sorge um das Wohl der Fliege von ihrem Vorhaben abhalten. Die Spinne muss überleben, und dazu braucht sie die Fliege. So ist das nun mal.
    »Warte«, sagt Ariel, entzieht mir ihren Arm und bleibt vor der Tür zur Bäckerei plötzlich stehen. »Ich kann nicht.«
    »Warum? Was ist los?«
    »Es geht einfach nicht. Ich habe dir doch gestern gesagt, dass ich nicht mehr hierherkommen möchte.« Hinter mir öffnet sich bimmelnd die Tür, und sie weicht entsetzt zurück. Ich werfe einen Blick über die Schulter und sehe, was meine kleine Fliege so erschreckt hat.
    »Vergiss es, Mann. Keine Chance! Die Kohle ist schon verplant.« Die laute Jungenstimme wird von einem Chor dröhnender Lacher begleitet. »Hey, Stroud, was geht ab?«
    Vier Jungs kommen aus der Bäckerei. Drei von ihnen sind hoch aufgeschossen und schlaksig, einer ist etwas kleiner und ziemlich muskulös. Er hat hochstehende schwarze Haare und ein gemeines Grinsen im Gesicht. Die vier lungern auf dem Gehsteig herum wie ein Rudel Schakale, das leichte Beute wittert. Ich erstarre zu Stein, als ich in die kalten Augen des Jungen mit den schwarzen Haaren sehe. Jason Kim! Er hat mich gequält, weil ich die Geheimnisse der Söldner verraten habe. Die Erinnerung, wie er angesichts meiner Qualen gelacht hat, steigt in mir auf. Plötzlich habe ich den metallischen Geschmack von Blut und Angst im Mund.
    Während meines letzten Aufenthaltes in dieser Welt hat Bruder Lorenzo, mein Schöpfer, im Körper von Jason Kim gewohnt. Er zwang mich, Julia und ihre neue Liebe zu töten. Er ließ mir keine andere Wahl. Anschließend lieferte er mich meinem Seelengeist aus, und ich musste schreckliche